Umweltferkel wohnen oben

■ Das an der Hochschule ansässige POLIS-Institut präsentiert eine empirische Untersuchung über das Müllsammel- und Sortierverhalten der BremerInnen

Gegen die, die über einem wohnen, trägt man in aller Regel üble Vorbehalte im Herzen. Ständig tackern die mit ihren hochhackigen Schuhen über den Parkettboden. Zu den unmöglichsten Uhrzeiten wird man unfreiwilliger Ohrenzeuge ihrer Streit- und Fernsehgewohnheiten. Und daß der Hausflur ein Hausflur und eben keine private Rumpelkammer mit eingebautem Treppenhaus ist, lernen die von oben auch nie. – Nie! Und nun noch das: Die, die über einem wohnen, sind unbestreitbar die größten Umweltferkelchen.

Sagt jedenfalls Uwe Riedel und kann dies sogar über die üble Nachrede hinaus wissenschaftlich präzise belegen. Schließlich hat Riedel, Hochschulprofessor und Leiter des POLIS-Instituts für Mensch-Umwelt-Beziehungen, zwei Jahre per Fragebogen, Telefon- und Tiefeninterviews ergründet, wie die Bremer BürgerInnen ihren Müll sammeln, sortieren und entsorgen – und dabei festgestellt, „daß es eine direkte Verbindung gibt zwischen der Höhe des Stockwerks und der Bereitschaft, seinen Müll ordnungsgemäß zu entsorgen“. Je weiter nämlich der Weg zum nächsten Müll- und Wertstoffcontainer ist, desto eher stopfen die von oben wahllos und unsortiert alles in einen Beutel. Was aber, erklärte Riedel während der Präsentation seiner Untersuchung, vor allem damit zusammenhängt, daß BewohnerInnen von Hochhausanlagen aufgrund fehlender Gärten über wenig Platz zum Aufstellen diverser Sammelboxen für Bioabfälle, Restmüll, Altpapier usw. verfügen.

Den BremerInnen attestierte Riedel insgesamt aber „ein überdurchschnittlich gutes Müllverhalten“. Vor allem Familien mit kleinen Kindern sind aus pädagogischen Erwägungen vorbildliche Sammler und Sortierer. Allerdings finden sich unter ihnen auch bemerkenswert viele, die – vermutlich aus finanziellen Gründen – Pampers und sonstigen Müll in die dafür nicht vorgesehene, kostenlose Biotonne stopfen. Überhaupt ist die Biotonne das größte Ärgernis. Vor allem im Sommer stinkt sie vielen. Ein Großteil der BremerInnen (50 Prozent) hält das Sammeln von Küchenabfällen überhaupt für sinnlos. Und Gebühren zahlen will niemand für das Ding.

Was für Kinder gilt, verliert bei den Großen nicht an Gültigkeit: Lob statt Tadel führt zur guten Handlung. Daher empört es viele, daß sie für Müllenthaltsamkeit nicht belohnt, für Müllüberproduktion aber finanziell bestraft werden.

Auch politischen Sprengstoff birgt Riedels Werk. Hätte die CDU die Studie vor ihrem Bremer Parteitag in die Finger bekommen, sie hätte für die anstehende Bundestagswahl womöglich auf den 34. Aufguß der „SPD-Rote Socken-AlleKommunistensindSchweine“-Kampagne verzichtet. Denn die Müll- und Umweltproblematik ist laut Riedel eines der wichtigsten Themen für die BremerInnen. Also „Auch in Zukunft Gelbe Säcke ohne Ende für alle“ oder zumindest „Gelbe Säcke statt rote Socken“ wäre die richtige Botschaft an das Wahlvolk gewesen. Aber vermutlich hätte die CDU einen solchen Slogan letztendlich mit Rücksicht auf ihren liberalen Koalitionspartner sowieso verworfen. zott

Die Studie ist in der Hochschule für 20 Mark zu erwerben. Infos unter Tel.: 59 05-17 0 oder 18 6.