Späte Rache per Plakat

■ „Diese Männer sind Mädchenvergewaltiger“ steht an Wänden im Viertel / Vier Frauen beschuldigen offenbar Verwandte des sexuellen Mißbrauchs

in Plakat sorgt bei den Passanten im Steintorviertel derzeit für ungläubige Blicke und Kopfschütteln. „Diese Männer sind Mädchenvergewaltiger“, heißt es auf dem 40 mal 57 Zentimeter großen Plakat. „Nach diesen Tätern wird nicht gefahndet. Ihre sexuellen Gewaltverbrechen sind verjährt. Sie leben unbehelligt in ihrem familiären & sozialen Umfeld. Männer, die sie kennen.“ Darunter sind die Fotos von vier Männern mit Namen und Geburtsdaten abgebildet. Einen Hinweis auf die Urheber des Plakates gibt es mit Blick auf die strafrechtlichen Konsequenzen nicht.

Die Polizei hat das Pamphlet jetzt an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Doch der Ermittlungsdrang der Behörden ist begrenzt. „Wenn wir nur den Namen und das Geburtsdatum haben, sieht es reichlich schlecht aus“, sagt Polizeisprecher Gundmar Köster. Da es kein zentrales Melderegister gibt, konnte die Polizei bislang lediglich feststellen, daß es sich bei den Männern nicht um Bremer handelt. Darüber hinaus ist üble Nachrede oder Verleumdung ein sogenanntes Antragsdelikt, das erst verfolgt wird, wenn die Geschädigten sich bei der Polizei melden. Und die sind bislang noch nicht an die Polizei herangetreten.

Wer verleumderische Schriften verbreitet, wird mit Geldstrafe oder mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft. Die Plakatkleberinnen fürchten die Strafe nicht. Nach Recherchen der taz handelt es sich um vier Frauen, von denen eine in Bremen lebt. „Die Täter haben viel zu viel Schiß uns anzuzeigen, weil sie Angst haben, daß das Ganze noch öffentlicher wird“, sagt eine der Plakatiererinnen. 500 Plakate hätte die Gruppe drucken lassen. Bislang seien die Pamphlete nur in Bremen geklebt worden. Es sei geplant, die Plakate demnächst auch in Kassel und Kiel zu veröffentlichen.

Einer der abgebildeten Männer sei ihr Vater und habe sie im Alter von acht bis 14 Jahren sexuell mißbraucht und vergewaltigt, sagt die Frau. Angezeigt habe sie ihren Vater nie und mittlerweile sei die Tat verjährt. Auch die anderen Frauen seien direkt Betroffene.

Die Verjährungsfrist für sexuellen Mißbrauch an Kindern liegt derzeit bei zehn, in besonders schweren Fällen bei zwanzig Jahren. Nach einer Gesetzesnovellierung beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres der Geschädigten. Trotzdem sei die Dunkelziffer bei sexuellem Mißbrauch „enorm hoch“, so die Plakatiererin. Auf eine Anzeige kämen 20 weitere Taten. „Sexuelle Gewalt ist das sicherste Verbrechen“, sagt sie. „Täter sind Wiederholungstäter.“ Vor zwei Jahren hätte die Gruppe schon einmal in Darmstadt, Köln und Mannheim plakatiert. „Für uns ist das die einzige Möglichkeit, mit der Ohnmacht fertigzuwerden.“

Die Täter würden durch die Gesetze noch immer zu sehr geschützt. Und solange das so sei, hätten die Opfer keine Chance sich anders zu wehren. Der Vorwurf des Denunziantentums läßt die Plakatiererin kalt. „Es wird nie Recht geschehen“, sagt sie. „Nicht die Täter werden ausgegrenzt, sondern die Opfer. Obwohl ich meine Familie damit konfrontiert habe, lebt er heute noch unbehelligt von den anderen, so als wäre nichts geschehen.“ Das Plakat habe sie ihrem Vater zugeschickt.

Der denunzierte Vater weist die Vorwürfe weit von sich. Er kenne das Plakat nicht. Daß seine Tochter ihn des sexuellen Mißbrauchs bezichtigt, weiß er. „Das tut sie nur, weil sie mit ihrem Leben nicht zurechtkommt“, sagt er. „Sie wird keinen Menschen finden, der ihr das glaubt. Die Anschuldigungen stimmen nicht, das kann ich beschwören.“

Dennoch will der Mann, der in Süddeutschland lebt, keine Anzeige erstatten. „Langsam ist man abgebrüht. Außerdem kennt mich da oben sowieso keiner.“ Zu seiner Tochter habe er keinen Konktakt mehr. „Was soll man mit so einem Menschen noch reden. Sie soll tun, was sie für richtig hält. Glücklich wird sie damit nicht werden. Was soll ich gegen sowas angehen.“ Kerstin Schneider