Gangster am Strand

Mit „Hana-bi“ gewann Takeshi Kitano 1997 den Goldenen Löwen in Venedig. Jetzt kommen mit „Violent Cop“ und „Sonatine“ die beiden Vorgänger ins Kino  ■ Von Alexandra Seitz

Spät kommt sie, aber sie kommt: die Gelegenheit, weitere Werke des Regisseurs kennenzulernen, der Anfang des Jahres mit „Hana-bi“ einem breiteren westlichen Publikum bekannt wurde. Takeshi Kitanos Regiedebüt „Violent Cop“ (1989) und sein 1993 entstandener vierter Film „Sonatine“ finden in unsere Kinos, und der Weg dorthin wird sich lohnen.

„Sono otoko kyobo ni tsuki“, der Originaltitel von „Violent Cop“, bedeutet „Vorsicht, dieser Mann ist gefährlich“ und zitiert die Überschrift japanischer Fahndungsplakate für Schwerverbrecher. Der Titel ist Programm: Wagatsuma (von Kitano selbst gespielt) ist ein seiner Arbeit überdrüssiger Polizist, dem öfter mal „die Hand ausrutscht“. Seine Ermittlungen gegen Dealer, deren Beziehungen bis in die oberen Ebenen des Polizeiapparates reichen, zwingen ihn schließlich dazu, im Alleingang mit einem Killer fertig zu werden, der seine etwas weltfremde Schwester in der Gewalt hat. Und so sieht man einen schweigsamen, immer müde wirkenden Mann auf seinem schweren Opfergang in ein dunkles Lagerhaus.

„Violent Cop“ trägt nicht nur deutliche Züge des minimalistischen Inszenierungsstils, der Kitano 1997 die internationale Aufmerksamkeit in Gestalt des Goldenen Löwen für „Hana-bi“ einbrachte. Auch einige der hier verwendeten erzählerischen Motive ziehen sich durch das gesamte Werk. Groteske, fast aberwitzige Szenen, Seite an Seite mit statischen Aufnahmen verschlossener Menschen, die selten Gutes im Schilde führen und deren Gewaltausbrüche heimtückisch und unvermittelt das Geschehen bestimmen. Erzählung bleibt Fragment, das wichtigste dramaturgische Mittel ist die Ellipse. Wer aus welchem Grund mit wem oder gegen wen? Ein Zusammenhang ergibt sich – selten ganz eindeutig – erst nach und nach; immer mehr aus einzelnen Bildern denn aus den kargen Dialogen.

Gleiches gilt für „Sonatine“, dessen Titel Kitano im Presseheft folgendermaßen erklärt: „...wenn man Klavier lernt, übt man verschiedene Arten von Stücken. Wenn man zur Sonatine kommt, bedeutet das, daß man endlich die Grundlagen beherrscht... Man kann noch nicht von Meisterschaft sprechen, doch die Sonatine bezeichnet das Ende einer ersten Lernstufe.“

Erzählt wird die traurige Geschichte vom Verrat an Yakuza Murakawa (Kitano) und seinen Gefolgsleuten. Der eigene Boß schickt sie in einen Hinterhalt nach Okinawa und hetzt dann den Überlebenden, die in einem Haus am Meer Zuflucht gefunden haben, auch noch einen Killer hinterher. Der stört die am Strand mittlerweile ausgebrochene Idylle empfindlich und zwingt Murakawa dazu, schließlich einer Zusammenkunft gewichtiger Ober-Yakuza entgegenzutreten – wiederum in einem Alleingang in die Finsternis.

Kitano inszeniert „Sonatine“ mit wehmütigem Humor und einer zärtlichen Aufmerksamkeit auch für die Nebenfiguren, die in „Violent Cop“ noch fehlt. Mit Katagiri (der großartige Ren Osugi) und Miyuki (Aya Kokumai) treffen da zum Beispiel die jeweiligen „rechten Hände“ von Murakawa und seinem Gastgeber Uechi aufeinander. Die Entstehung einer kleinen Freundschaft zwischen diesen beiden sehr unterschiedlichen Temperamenten zu verfolgen, ist eines der vielen Vergnügen, die man mit „Sonatine“ haben kann. Mit den Szenen am Meer, in denen aus Gangstern im Sand herumtobende Kindsköpfe werden, verschafft Kitano seinen Figuren einen Freiraum, der ihr Dasein als routinierte Kriminelle in den Hintergrund treten läßt. Zu solch lebenslustiger Unbefangenheit waren ihre Vorgänger, unter deren unbeteiligt wirkender Oberfläche nichts als Gewalt und bodenlose Trauer lauerte, nicht mehr fähig. Den Spielern am Strand dagegen ist für eine kurze Zeit die Illusion eines „glücklichen Lebens“ vergönnt. Eine Illusion, die mit Gewalt und bodenloser Trauer endet.