■ Vorschlag
: Buddhistisch erweiterbar: Blixa Bargelds temporäre CD-Brennerei

In einer Galerie mit weißen Wänden und verhängten Fenstern steht schwarze Technik auf weißen Säulen. Bunte Kabel hängen kunstvoll arrangiert von der Decke. Mittendrin steht im schwarzen Anzug Blixa Bargeld, ein wenig aufgedunsen, aber noch längst nicht vergessen. Die Frage ans fast ausschließlich befreundete Publikum lautet: Welche Wörter sollen in den Boxring steigen? „Boredom“ und „astonishment“? Oder „grace“ und „rage“? Von einem englischen Philosophen sollten sie schon stammen. Die Wahl fällt schließlich auf „grace“ und „lust“. Bargeld zischt rhythmisch ins Mikro, sampelt sich selbst, glättet den Klang und jagt das Geräusch durch den Sequencer. Fertig ist die erste Schleife. Bargeld röchelt „grace!“, jault „lust!“, schreit „grace!“, kreischt „lust!“. Fertig ist die zweite Schleife, die sich über die erste legt, sich mit ihr verknotet und der eine dritte und vierte folgt. Unvermeidliche Nebenklänge wie Atem und Speichelabsonderungen werden eingeschraubt. Bis endlich ein kompliziertes, rhythmisches und ohrenbetäubendes Klanggebilde angerührt ist. Die erste Runde geht an „lust“. Die ersten zehn Minuten der vierunddreißigsten CD sind gebrannt.

Blixa Bargeld steht hier nun schon den siebten Nachmittag vorm Mikro. Ab und zu stolziert er zum CD-Brenner, um eine neue CD einzulegen, die fertige herauszunehmen und sie mit Titeln zu beschriften wie „Polizeikatzen“ oder „Die abgedroschene Schlange“. Eingeschlossen mit toten Maschinen hat er sich – so wie sich 1974 Joseph Beuys mit einem lebendigen Kojoten hat wegsperren lassen. Und damit hat er sich seinen Aufkleber für ernsthafte Musiker, „Deutsches Kulturgut – nicht ausbomben“, redlich verdient. Daß Krachmachen ein gutes Stück Arbeit ist, mit Disziplin, Dienstleistung, Schmerz und Entbehrungen zu tun hat, muß er immer noch beweisen. Da bleibt keine Kraft für Frohsinn. Statt dessen die Erklärung im Pressetext: „Ob sich wohl ein auswegloser Kreis bilden läßt, akustisch, eine fiese Schleife, eine suizidale Schlinge (ins Buddhistische erweiterbar).“ Susanne Messmer

Bis 30. Mai, Contemporary Fine Arts, Sophienstr. 21, Mitte, Mo.-Sa. 10 bis 19 Uhr, Labor- und Brennzeit 16 bis 19 Uhr