Genfood ist kein Biolebensmittel

■ Proteste nach Gesetzentwurf des US-Agrarministeriums, der Gentechnik und Bestrahlung im biologischen Landbau erlaubt. 27 Punkte widersprechen EU-Recht - Handelskrieg befürchtet

Berlin (taz) – Mit solch einem Echo hatte das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) nicht gerechnet: Über 200.000 Farmer, Verarbeiter, Händler und Konsumenten reichten eine Stellungnahme zu einem Gesetzentwurf ein, den das USDA Ende 1997 veröffentlicht hatte. Weit über 90 Prozent lehnten den Entwurf ab, mit dem erstmals ein für alle US-Bundesstaaten verbindlicher Standard für Biolebensmittel eingeführt werden sollte. Grund: Mit dem Bio-Gesetz wollte das USDA Gentechnik, radioaktive Bestrahlung, Klärschlamm und mehrere synthetische Stoffe im biologischen Landbau erlauben.

Schon kurz nachdem Ende April die Frist für die Stellungnahmen abgelaufen war, mußte US- Landwirtschaftsminister Dan Glickman das Scheitern seines Gesetzesvorschlags einräumen: „Wenn Biobauern und Konsumenten unseren nationalen Standard zurückweisen, dann haben wir etwas falsch gemacht.“ Biotechnologie, Bestrahlungen und Klarschlämme hätten eine wichtige Funktion in der Landwirtschaft, verteidigte Glickman sein National Organic Program, und seien eigentlich sicher. Im überarbeiteten Entwurf sollen sie aber für Bioprodukte nicht mehr erlaubt sein.

Doch auch zahlreiche andere im Entwurf des USDA vorhandenen Regelungen halten die Anbauverbände für nicht akzeptabel. Dazu gehören die relativ freizügige Verwendung von Antibiotika, der hohe Anteil von nicht biologisch angebautem Viehfutter, der in der Tierhaltung verwendet werden darf, und die nicht artgerechte Tierhaltung.

Besonders erbost sind die Verbände, daß das USDA bei der Ausarbeitung des Gesetzesvorschlags nicht mit ihnen zusammengearbeitet haben. In 20 Jahren gesammelte Erfahrungen mit organischem Landbau und der Standardisierung und Zertifizierung von Biobetrieben wurden ignoriert. „Wir arbeiten schon lange daran, internationale Regelungen und die gegenseitige Anerkennung von Standards durchzusetzen“, berichtet Thomas Cierpka von der Internationalen Vereinigung Biologischer Landbaubewegungen (IFOAM). In dem weltweit aktiven Dachverband sind 680 Organisationen aus über 100 Ländern zusammengeschlossen. „Die Standardisierung selbst ist aber unsere Aufgabe.“

In den USA ist die biologische Landwirtschaft ein Wachstumsmarkt. Vor 18 Jahren hatten die Erzeuger von Bioprodukten noch einen Umsatz von etwa 78 Millionen Dollar, 1996 waren es rund 3,5 Milliarden. Seit 1990 verzeichnet die Biobranche eine jährliche Umsatzsteigerung von 20 Prozent. Da haben mittlerweile auch die großen US-Lebensmittelhersteller erkannt, daß hier Geld zu verdienen ist. So übernahm der Heinz-Konzern vor zwei Jahren einen Biobetrieb zur Herstellung von Babykost. General Mills startete vor kurzem einen Testverkauf von Biomehl. Mit einer US-einheitlichen Standardisierung könnte der Biomarkt noch schneller wachsen, hoffen alle Beteiligten.

Für Bioprodukte sei die Europäische Union (EU) die größte Importregion, erklärt der Biomarktexperte, sagt Ulrich Hamm, Agrarforscher an der Fachhochschule Neubrandenburg. „Wenn die Amerikaner ihre Bioprodukte weiterhin hier absetzen wollen, müssen sie sich dem europäischen Standard anpassen.“ Die Vizepräsidentin von IFOAM, Linda Bullard, befürchtet schon einen Handelskrieg zwischen EU und USA. Die EU habe im USDA-Gesetzentwurf bereits 27 Punkte festgestellt habe, die mit der europäischen Richtlinie für Bioprodukte nicht vereinbar seien. Und Biotech-Multi Monsanto fürchtet selbst bei einer Einigung Verbraucherboykotte und will bis auf weiteres genmanipulierte Lebensmittel nicht als Bioprodukte auszeichnen. Wolfgang Löhr