Ärzte bitten Patienten zur Kasse

■ Fünf Tage klagten sich die 250 Delegierten des Ärztetags gegenseitig ihr Leid. Am Ende reisten viele Ärzte vorzeitig nach Hause und machten das Hobby-Parlament beschlußunfähig

Köln (dpa/taz) – Der letzte Tag war ihnen dann schon nicht mehr so wichtig. Nachdem Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) den Kassenärzten zuvor versichert hatte, auch er halte die Forderung nach kräftig steigenden Honoraren für gerechtfertigt, verabschiedeten sich die meisten der 250 Ärztedelegierten schon am Freitag ins Wochenende. In den Deutzer Mesehallen in Köln saßen am frühen Samstag noch 119 Vertreter. Bevor auch sie abreisten, stellten sie noch rasch die Beschlußunfähigkeit des Ärzteparlaments fest. Auf den Tischen blieben 30 Anträge liegen – unter anderem zum späten Schwangerschaftsabbruch und zur ärztlichen Gebührenordnung.

Seehofer hatte in einem Brief an die Kassenärztliche Vereinigung dargelegt, woher das Geld für die Anhebung der Honorare kommen soll: notfalls aus Erhöhungen der Beiträge zur Krankenkasse. Zwar ist den Kassen per Gesetz die Stabilität der Beitragssätze vorgegeben, doch dieses Prinzip würde Seehofer zugunsten der Honorare durchbrechen wollen. Sollten die Beiträge erhöht werden, kämen auf die Patienten auch höhere Zuzahlungen bei Medikamenten und Heilmitteln zu.

Fünf Tage debattierten die Ärzte-Vertreter. Präsident Karsten Vilmar plädierte in seiner Schlußansprache am Samstag für die Beibehaltung des Solidarprinzips im Gesundheitswesen. Mit großer Mehrheit hatte der Ärztetag jedoch zuvor beschlossen, die Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung einzufrieren. Erhöhungen des Beitragssatzes sollten künftig alleine von den Versicherten getragen werden. Zentrales Gesprächsthema waren die radikalen Reformen im Gesundheitswesen. In ihrem Leitantrag verlangten die Ärzte eine weitere Reduzierung von Kassenleistungen, allerdings ohne zu sagen, wo sie den Leistungskatalog beschneiden wollen. Demnächst möchten sie Grund- und Wahlleistungen anbieten. Die Mediziner setzen auf „Eigenverantwortlichkeit“ der Patienten. Paradoxerweise sprachen sie sich auch gegen höhere Zuzahlungen für Patienten aus: „Immer mehr Zuzahlungen gefährden das Solidarprinzip“, warnten sie in einem Beschluß.

Ärztepräsident Vilmar wies den Eindruck zurück, die Beschlüsse widersprächen sich. Die Anträge seien zwar sicher unterschiedlich gewichtet, doch der Ärztetag sei „kein wirrer Haufen“. roga

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