Regierungswechsel in Ungarn

National-konservative Jungdemokraten werden stärkste Kraft. Rechtsextremisten erobern 14 Sitze im neuen Parlament. An Budapester Börse bricht Panik aus  ■ Aus Budapest Keno Verseck

Wir werden eine neue Regierung für ein neues Jahrhundert bilden.“ Mit großen Worten rief Viktor Orban in der Nacht zum Montag sich und seine Partei der Jungdemokraten zu den Siegern der ungarischen Parlamentswahlen aus. Und geradezu obsessiv beschwor der 35jährige den „Willen der Bürger“ und den „Wählerauftrag“, dem sich die Jungdemokraten fügen müßten.

Der Wählerwillen hielt bis zum letzten Augenblick Überraschungen bereit. In der zweiten Runde der Wahlen ging es am Sonntag um 175 Direktmandate von 386 Parlamentssitzen. Die national-konservativen Jungdemokraten (Fidesz- MPP) schnitten dabei besser ab als erwartet. Sie kommen nach dem vorläufigen Endergebnis auf 148 Sitze und sind damit stärkste Fraktion. Die bisher mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialisten (MSZP) verfügen nur noch über 134 Sitze. Drittstärkste Kraft ist die rechtspopulistische „Kleinlandwirte-Partei“ (FKGP) mit 48 Sitzen. Die liberalen Freidemokraten (SZDSZ) verfügen nur noch über 24 Sitze. Das bis 1994 regierende und heute konservativ-nationalistische „Ungarische Demokratische Forum“ (MDF) kam auf 17 Direktmandate. Mit 14 Sitzen ist auch die rechtsextremistische „Partei der ungarischen Wahrheit und des ungarischen Lebens“ (MIEP) vertreten.

Gestern brachte das Ergebnis in der ungarischen Hauptstadt weitere Überraschungen: An der Budapester Börse herrschte Panik. Wegen noch massiverer Aktienverkäufe als nach dem ersten Wahlgang wurde der Verkauf von Aktien einiger ungarischer Unternehmen vorübergehend gestoppt.

Auslöser der Panikstimmung an der Börse ist die sich abzeichnende rechte Koalitionsregierung aus Jungdemokraten, Kleinlandwirten und dem Ungarischen Demokratischen Forum. Der Fidesz-Chef Viktor Orban hatte in der Nacht zum Montag zwar keine klare Aussage über eine künftige Koalition gemacht, jedoch eine Regierung unter Beteiligung der Sozialisten oder der Liberalen ausgeschlossen. Gestern begann der Fidesz deshalb Verhandlungen mit dem MDF.

Zu Schwierigkeiten wird es dabei vor allem in der Wirtschaftspolitik kommen. Die Kleinlandwirte und das Ungarische Demokratische Forum vertreten eine nationalistische Wirtschaftspolitik: Sie sprechen sich gegen Kompromisse bei den Verhandlungen um Ungarns EU-Beitritt aus und sind dagegen, daß ausländische Staatsbürger Grund und Boden erwerben können. Aber auch der Fidesz will eine härtere Position gegenüber der EU einnehmen. Die Jungdemokraten versprechen außerdem ein laut Wirtschaftsexperten illusorisches Wachstum von sieben Prozent. Ungarische Ökonomen haben den Fidesz deshalb dazu aufgerufen, möglichen Koalitionspartnern keinen Zugang zu Wirtschaftsministerien zu gewähren, wenn sie Ungarns Wirtschaft nicht gefährden wollten.

Bisher hat Orban wenig getan, um Sorgen gegenüber einer zukünftigen Koalition zu zerstreuen. Statt dessen gab er bekannt, was seine „neue Regierung für ein neues Jahrhundert“ politisch bedeuten könnte: „Die ungarischen Staatsgrenzen sind nicht die gleichen wie die der ungarischen Nation“, kommentierte Orban die Frage, wie er sich das Verhältnis zu Ungarns Nachbarn und deren ungarischen Minderheiten vorstelle.