Passivrauchende Embryos

■ Das 1. Europäische Symposium über Rauchen und Schwangerschaft endet heute / Embryos leiden enorm unter dem Zigarettenrauch / Aufklärungskampagnen helfen

Rauchen macht krank. Und dumm. Nicht nur den, der den Zigarettenqualm in seiner eigenen Lunge zirkulieren läßt. Sondern vor allem jene, die nicht die geringste Chance haben, sich den 2.000 Schadstoffen, die ein Glimmstengel enthält, zu entziehen: Die Embryos. Jede dritte schwangere Bremerin raucht während ihrer Schwangerschaft. Bei den Schwangeren unter 25 Jahren versorgt gar jede Zweite ihr Kind im Bauch regelmäßig mit Nikotin und Teerstoffen.

Zahlen, die Eberhard Greiser, Leiter des Bremer Institutes für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) gerne senken würde. Zu diesem Zweck hat das BIPS das 1. Europäische Symposium zum Thema „Schwangerschaft und Rauchen“ veranstaltet. 80 ExpertInnen aus 14 EU-Staaten waren über drei Tage im Marriott-Hotel zusammengekommen, um sich über Strategien zu informieren, die zu einer Reduzierung des Rauchens während der Schwangerschaft führen können.

Nach Greiser sind die Schädigungen von ungeborenen Kindern durch Zigarettenrauch mittlerweile wissenschaftlich unbestritten. Trotzdem tue Gesundheitsminister Horst Seehofer noch immer so, als seien die negativen Auswirkungen des Rauchens nicht zweifelsfrei belegbar. „Das dient doch nur dem Zweck, im Sinne der Zigarettenindustrie ein dringend notwendiges Tabakwerbeverbot zu verhindern“, ärgerte sich Greiser. Raucherinnen erleiden laut Greiser häufiger Fehlgeburten. Ihre Kinder sind bei der Geburt kleiner und leichter als Kinder von Nichtraucherinnen. Asthmaerkrankungen treten deutlich häufiger auf, ebenso wie Lese- und Rechtschreibschwächen, niedrigere Intelligenzquotienten und erhöhte Leukämieraten.

Nicht nur die rauchenden Mütter sind für diese Phänomene verantwortlich. Auch in Beziehungen, wo nur der Mann raucht, sind negative Effekte für den Embryo zu verzeichnen. Es ist daher, wie Greiser drastisch formulierte, „die brutalste Form des Passivrauchens für das Embryo, wenn die Eltern rauchen.“ Und, kein unbedeutender Nebeneffekt für die weitere Familienplanung: Die Qualität des männlichen Spermas verschlechtert sich durch die Qualmerei ebenfalls erheblich.

Neben dem Verbot der Zigarettenwerbung und der für Kinder frei zugänglichen Zigarettenautomaten forderten die TeilnehmerInnen des Symposiums vor allem mehr Geld für Aufklärungsaktionen. Da das Rauchen während der Schwangerschaft laut BIPS-Mitarbeiter Peter Lang „unübersehbar ein schichtspezifisches Phänomen ist, was überproportional häufig bei Frauen aus sozial schwachen Schichten vorkommt, kann schon die Verbreitung der Informationen über die Folgen des Rauchens für das Kind sehr viel bewirken.“ Projekte in Schweden, wo seit 1994 gezielt Aufklärungskampagnen in Krankenhäusern und Arztpraxen durchgeführt werden, konnten die Zahl der rauchenden Schwangeren von 50 auf 13 Prozent senken. Allerdings wird ein Großteil der abstinenten Frauen innerhalb der ersten sechs Monate nach der Geburt wieder rückfällig. Von daher, so Lang, sei es nicht damit getan, „den Schwangeren zu sagen: Nun hören Sie mal auf zu rauchen.“ Gezielte Nachsorge während der obligatorischen Blutuntersuchungen nach der Geburt und RaucherInnenentwöhnungskurse, wie sie etwa die Deutsche Krebsgesellschaft durchführt, könnten dazu beitragen, aus Schwangerschaftsnichtraucherin-nen richtige Nichtraucherinnen zu machen. zott