■ Nachschlag
: Mammuthafte Miniaturen auf den Tanztagen in Potsdam

Für den einen stellt jeder Atemzug eine Verbindung zum Universum her, die ruckelnde Hüfte des anderen wirkt wie ein mechanischer Unterleib. Vier Stunden dauerte „2/3 Vexations“ schon, als sich Amos Hetz, Senior und Initiator der Marathon-Performance, und Andreas Müller auf der Bühne begegneten. Unterschiedlicher lassen sich Körperkonzepte kaum darstellen: hier der Tänzer, der mit allen Sinnen in Raum und Zeit unterwegs ist, und dort der Körper, der nur noch die eigenen Bedürfnisse und Störungen wahrnimmt.

„Brücken zwischen all den verschiedenen Gesichtern des Tanzes“ zu bauen war ein Traum von Amos Hetz, Choreograph und Bewegungslehrer aus Israel. In einer Komposition von Eric Satie, Urahn des Minimalismus, fand er den Rahmen: ein siebenminütiges Klaviersolo, das bis zu 850mal hintereinander gespielt werden soll. Fast vierzig Tänzer aus Berlin, Cottbus, Potsdam und von den Gästen der Tanztage beteiligten sich an dem 14stündigen Experiment, sich mit 7minütigen Solos auf der Bühne zu treffen. Als ob man in einem Museum die Bilder umhängen und in verschiedenen Kontexten betrachten könnte: So veränderten sich symbolische, erzählerische, minimalistische und abstrakte Bewegungskonzepte in den wechselnden Bezügen. Wie die Zusammenkunft einer Daunendecke mit einem explosiven Feuer wirkte etwa das Zufalls-Duo der Flamenco- Tänzerin Paula E. Paul mit dem niederländischen Performer Benno Vorham. Sanft kringelte er sich um ihre energisch stampfenden Füße, die Glut und Wut dieser gebündelten Energie verschluckend.

„In Potsdam sind die Leute neugieriger und offener als in Berlin“, erzählt Sabine Chwalisz, Tänzerin und Organisatorin der 8. Potsdamer Tanztage. Mit Filmnächten, Kinderstücken, HipHop (von der belgischen Gruppe Hush Hush Hush am 5./6. Juni) und in Workshops versuchen sie, neue Publikumsgruppen für den zeitgenössischen Tanz zu gewinnen. Seit die Fabrik vor drei Jahren eine große Bühne in den alten Pferdestall eingebaut hat, können auch bekanntere Gruppen eingeladen werden. So kommt diesmal Jonathan Burrows aus London, der schon für William Forsythe in Frankfurt gearbeitet hat (29./30. Mai). Gespannt kann man auch auf die Deutschlandpremiere des norwegischen Ensembles Zero Visibility Corporation (1./2.Juni) sein, von denen schon „alle gehört haben, aber noch keiner hat sie gesehen“. Katrin Bettina Müller

Alle Aufführungen 21 Uhr, in der Fabrik, Schiffbauergasse 1, Potsdam, Infos unter 0331/2800314