Ein Gläschen Rotkäppchen auf Höppner

Es kam, wie es erwartet wurde. Sachsen-Anhalts sozialdemokratischer Ministerpräsident Reinhard Höppner wurde mit Hilfe der PDS wiedergewählt. Danach gab es strahlende Gesichter in beiden Fraktionen  ■ Aus Magdeburg Toralf Staud

Als die Ministerpräsidentenwahl glücklich vorüber war, saßen Jens Bullerjahn und Wulf Gallert in der Landtagskantine und feierten. Drei kleine Flaschen Rotkäppchen-Sekt hatten die parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und PDS geköpft. Mit einfachen Saftgläsern prosteten sie sich zu. Strahlten. Die beiden haben in den vergangenen vier Jahren immer die Kompromisse zwischen ihren Parteien ausgehandelt, sind dabei auch persönliche Freunde geworden und waren am Wahlabend, als alles auf eine große Koalition von SPD und CDU hindeutete, tief betrübt. Seit gestern aber ist endgültig sicher, daß sie weitermachen können.

In geheimer Abstimmung wurde Reinhard Höppner (SPD) zum Ministerpräsidenten wiedergewählt – eine Premiere übrigens für Sachsen-Anhalt, alle bisherigen CDU-Ministerpräsidenten schafften nicht einmal eine volle Amtsperiode. Für Höppner votierten 67 der 112 anwesenden Abgeordenten, 43 gegen ihn. Zur absoluten Mehrheit, die im ersten Wahlgang nötig ist, verhalfen Höppner die Abgeordneten der PDS. Vor vier Jahren noch, als er das Magdeburger Modell einer PDS-tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung erfand, enthielten sich die Sozialisten, so daß sich Höppner bis in den dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit der SPD ausreichte, schleppen mußte. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. PDS-Fraktionschefin Petra Sitte hatte zuvor angekündigt, man werde Höppner „aktiv unterstützen“. Eine entsprechende Empfehlung hatte auch der Landesparteitag der PDS seinen 25 Landtagsabgeordneten gegeben. Am Montag bekamen die Sozialisten nach der konstituierenden Landtagssitzung dann auch noch das gewünschte Treffen mit der SPD, bei dem aber nicht Höppner, sondern der SPD-Fraktionschef und Landesvorsitzende Rüdiger Fikentscher das Regierungsprogramm erläuterte.

Als das Wahlergebnis gestern im Landtag bekanntgegeben wurde, applaudierten SPD und PDS. Die Sozialdemokraten standen. Die PDS-Leute blieben sitzen. CDU und DVU schwiegen. Erst bei der Verkündung der Gegenstimmen klatschten und johlten die 16 Abgeordneten der DVU. Die SPD reagierte mit Gelächter. Höppner lächelte breit, als sein Fraktionschef Fikentscher einen großen Blumenstrauß überreichte. Petra Sitte gratulierte mit roten Nelken. CDU-Fraktionschef Christoph Bergner kam nicht und auch nicht DVU-Frontmann Helmut Wolf. In seiner Dankesrede bot Höppner „auch denen, die mich nicht gewählt haben, eine faire Zusammenarbeit“ an.

Zwei Stunden nach der Wahl ernannte er dann seine Ministerriege. Nur drei Posten wurden neu besetzt. Finanzminister wird Wolfgang Gerhards, sein Vorgänger war Montag zum Landtagspräsidenten gewählt worden. Der 48jährige, westdeutsche Jurist Gerhards war von 1994 bis 1995 Chef von Höppners Staatskanzlei, die vergangenen drei Jahre arbeitete er in der Bonner SPD-Zentrale als stellvertretender Bundesgeschäftsführer. Die Frauenpolitik erhob Höppner in Ministerrang und gliederte sie dem Arbeits- und Sozialressort von Gerlinde Kuppe an. Sie übernimmt zusätzlich von der ehemaligen grünen Umweltministerin Heidrun Heidecke das Amt der stellvertretenden Ministerpräsidentin. Agrar-Ressortchef wird der bisherige Staatssekretär Johann Konrad Keller, der 1994 aus dem niedersächsischen Umweltministerium nach Magdeburg gekommen war. Umweltministerin wird die Hallenser Regierungspräsidentin Ingrid Häußler, die Anfang der 90er Jahre im Land als Betriebsratschefin des Chemiekombinats Buna bekannt wurde.

In Magdeburg wird man nach dem Gezerre der letzten vier Wochen nun wieder zur Tagesordnung übergehen. Lediglich zwei Landtagssitzungen sind – sommerpausenbedingt – vor den Bundestagswahlen im September noch angesetzt. Für Konflikte zwischen SPD und PDS wird es so kaum Gelegenheit geben. Denn die Beratungen für den 99er Haushalt, wo die PDS um mehr Geld für die Kommunen und soziale Zwecke kämpfen wird, gehen erst im Herbst in die heiße Phase.