Prozeß gegen Teherans Bürgermeister

■ Eine Symbolfigur im iranischen Machtkampf muß sich wegen Korruption vor Gericht verantworten. Das Verfahren ist öffentlich

Berlin (taz) – Der Prozeßtermin gegen den reformorientierten Teheraner Bürgermeister Gholam Hossein Karbaschi ist auf den 7. Juni festgesetzt worden. Das wurde am Dienstag in Justizkreisen in der iranischen Hauptstadt bekannt. Das Verfahren soll vor einem Gericht stattfinden, das auf Prozesse gegen politische Funktionsträger spezialisiert ist. Offiziellen Angaben zufolge soll der Prozeß öffentlich sein. Das Verfahren stößt im Iran auf großes Interesse, denn Karbaschi, der dem neuen iranischen Präsidenten Mohammed Chatemi nahesteht, ist zu einer Symbolfigur im Machtkampf zwischen Reformern und Radikalen geworden.

Der Teheraner Bürgermeister, der seit 1989 im Amt ist, war nach monatelangem Tauziehen am 4. April wegen angeblichen „Mißbrauchs öffentlicher Mittel“ und „schlechter Amtsführung“ festgenommen worden – „vorübergehend“, wie es offiziell hieß. Nach Protesten seiner Anhänger wurde er auf Chatamis Intervention hin nach zwölf Tagen Haft gegen eine Kaution wieder freigelassen. Karbaschi hat in den letzten Monaten wiederholt darauf hingewiesen, daß der Justizapparat ihn aus Rache für den Sieg Chatamis zu Fall bringen will. Chatami ist seit einem Jahr im Amt.

Das Verfahren gegen Karbaschi könnte auch Auswirkungen auf die geplante Gründung einer neuen Partei im Iran haben. Karbaschi ist einer ihrer Initiatoren. Ob die Partei ihre Gründung offiziell bekanntgibt, solange der Konflikt um den Bürgermeister von Teheran noch in der Schwebe ist, gilt als fraglich. Die neue Partei geht aus einer 16köpfigen Gruppe hervor, die seit zweieinhalb Jahren unter dem Namen „Diener des Aufbaus“ besteht. Neben Karbaschi zählen Kulturminister Mohajerani und Innenminister Nuri, alle drei enge Vertrauenspersonen von Chatami, zu den intellektuellen Köpfen. Ihre Hauptforderungen waren: eine Politik der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung Irans, mehr Effizienz beim Wiederaufbau und Einzug von Fachleuten ins Parlament.

Schnell geriet die Gruppe ins Visier der Radikalen, im Iran auch als Konservative bezeichnet. Ihre Mitglieder wurden von Parlamentspräsident Nateq Nuri unter Druck gesetzt. Zehn Mitglieder der Gruppe zogen sich daraufhin zurück. Allerdings wuchs die Mitgliedschaft bis zur Wahl Chatamis auf 30 Parlamentarier an. Mit von der Partie ist unter anderem Faeze Rafsandschani, die Tochter des ehemaligen Präsidenten, sowie dessen Schwiegersohn, Hossein Maraschi.

Die Gründung der Partei wäre die erste seit der Islamischen Revolution vor 19 Jahren. Der ehemalige Außenminister Ibrahim Jazdi, der sich mehrfach vergeblich um die Zulassung seiner Partei, der Freiheitsbewegung Iran, bemüht hatte, meinte in einem BBC-Interview, daß der Personenkreis um Karbaschi mitverantwortlich sei für die Krise der Gesellschaft, da er in den vergangenen Jahren politische Ämter innegehabt habe. Dennoch begrüßte Jazdi den Schritt als eine positive Entwicklung für die Zukunft des Landes.

Unterdessen machen Befürworter und Gegner des Präsidenten auch auf der Straße mobil. Nach einer Massenveranstaltung von rund 200.000 Anhängern des Präsidenten am vergangenen Samstag, dem Jahrestag seines Wahlsieges, überfielen am Montag radikale Studenten eine Kundgebung anderer, reformorientierter Hochschüler. Zwei Menschen wurden verletzt, als die Angreifer mit Stöcken, Schlagringen und Tränengas gegen die Chatami-Anhänger vorgingen. Es ist nicht das erste Mal, daß es zu solchen Zwischenfällen kommt. Die Demonstranten hatten gefordert, daß bei den Wahlen zum Wächterrat in diesem Jahr auch Laien und Frauen zugelassen werden. In dem Gremium, das den religiösen Führer des Landes wählt, sitzen 83 männliche Geistliche. Kambiz Behbahani