Wenn die Wärme flieht

Niedrig-Energie-Häuser sind keine Exoten. Die drei bis sechs Prozent Mehrkosten amortisieren sich in rund zwölf Jahren  ■ Von Heike Dierbach

„Ehrlich gesagt, ich hatte in der Zeit gedanklich mehr damit zu tun, nach Jahren in einer WG im Schanzenviertel nach Bergstedt zu ziehen.“ Achim Woens erinnert sich an „so viel Streß“ beim Umzug und beim Bau seines neuen Zuhauses, daß für den 46jährigen klar ist: „Nochmal würde ich das nicht machen.“ Keine Rolle spielte aber für das Ausmaß der Belastung, daß das Haus kein gewöhnlicher Bau ist: Achim Woens, Maike Frost und ihr Sohn Jannis wohnen in einem Niedrig-Energie-Haus (NEH), das gut ein Drittel weniger Energie verbraucht als vergleichbare Neubauten.

„Der Begriff ist nicht nach DIN-Norm festgelegt“, erläutert Architektin Marianne Dedekind vom Institut Energie+Bau, die die Familie energietechnisch beraten hat. Angewendet wird er auf Häuser, die weniger als 70 Kilowattstunden Heizenergie pro Quadratmeter verbrauchen. Das ist auch der Standard, den ein Gebäude erreichen muß, um von der Hamburger Umweltbehörde als NEH einmalig mit 6000 Mark gefördert zu werden. Die aktuelle Wärmeschutzverordnung erlaubt Neubauten dagegen immer noch 105 Kilowattstunden – „kein deutlicher Schritt in Richtung Energiesparen“, findet Dedekind. Dabei kann jedes Haus als NEH gebaut werden, betont sie, egal ob Fertig- oder Fachwerkhaus: „Niedrig-Energie-Häuser sind keine Exoten!“

Auch das Domizil von Achim Woens und Maike Frost unterscheidet sich äußerlich nicht von den Neubauten ihrer Nachbarn – ein hübscher, verklinkerter Neubau mit einem Erker und viel Holz in der Fassade. Nur wer genau hinsieht, entdeckt im Mauerwerk eines der wesentlichen Merkmale eines NEH: die handtellergroßen weißen Ventile der kontrollierten Lüftung. Sie leitet Frischluft in die Wohnräume, saugt feuchte Luft aus Bad und Küche, leitet sie übers Dach ab und senkt so den Lüftungswärmeverlust um 30 Prozent gegenüber dem Standard der Wärmeschutzverordnung. Bei Achim Woens und Maike Frost rauscht sie allerdings leise, was laut Prospekt der Umweltbehörde nicht sein sollte. Dennoch ist Maike Frost zufrieden mit ihrem neuen Haus. „Es war mein Traum, einmal alles zu verwirklichen, was möglich ist, um Ressourcen zu sparen“, erzählt die 39jährige Soziologin. Das Bewußtsein dafür bekam sie quasi in die Wiege gelegt. „Bei uns zu Hause wurde alles wertgeschätzt – auch Energie.“

Rund ein Drittel der gesamten Endenergie wird in Deutschland von privaten Haushalten verbraucht und da vor allem für die Raumwärme. Eine sehr gute Wärmedämmung, ein effektives Heizsystem und eine hohe Luftundurchlässigkeit der Wände sind deshalb weitere Hauptmerkmale von NEHs. Die Rate, wie oft die Raumluft pro Stunde ausgetauscht wird (bei geschlossenen Fenstern) läßt sich dadurch auf 0,5 senken. „Bei anderen Neubauten habe ich schon Raten von 17 gemessen“, berichtet Marianne Dedekind entsetzt. Im Klartext: 17mal pro Stunde wurde die Raumluft bei geschlossenen Fenstern komplett ausgetauscht – im NEH einmal in zwei Stunden! Gerade bei den vielen Billighäusern, so Dedekind, würden Dämmung und die luftdichte Folie oft nicht sorgfältig verlegt. Im nachhinein läßt sich gerade das nur schwer verbessern – das Haus verbraucht für Jahrzehnte viel zuviel Energie. Das kommt teurer, denn die drei bis sechs Prozent Mehrkosten für ein Niedrig-Energie-Haus amortisieren sich in rund zwölf Jahren.

Dennoch ist das Bewußtsein für den NEH-Bau „schwer unter die Leute zu bringen“, beklagt Dedekind nach eineinhalb Jahren NEH-Programm der Umweltbehörde. Sie setzt auf die „Breitenwirkung“, auch unter den am Bau beteiligten HandwerkerInnen. Aber „da ist manchmal viel Überzeugungsarbeit nötig“, berichtet die Architektin.

Maike Frost und Achim Woens fühlen sich jedenfalls wohl in ihrem neuen Domizil. „Irgendwie ist es auch eine gefühlsmäßige Sache“, sagt Maike Frost, „und es macht einfach Spaß, so zu wohnen.“

Eine Förderung wird nur gewährt für Neubauten und muß vor Baubeginn beantragt werden. Informationen bei der Umweltbehörde: Tel.: 78 80-27 24