Fit für die neue Existenz

Der dritte Business-Plan-Wettbewerb in Berlin und Brandenburg will jungen Leuten die Existenzgründung erleichtern. Der Weg: Gute Beratung von Fachleuten, Kontakte zu potentiellen Geldgebern  ■ Von Ralf Oberndörfer

„Stell Dir vor, es gibt Jobs und Du hast sie geschaffen.“ Unter diesem launigen Motto steht der „business-Plan-Wettbewerb 98“, der im November vergangenen Jahres begann. Neue Firmen brauchen Berlin und Brandenburg, und StudentInnen sollen sie gründen. Bereits zum dritten Mal nach 1995 und 1996 wird dieser Wettbewerb für ExistenzgründerInnen und solche, die es werden wollen, ausgerichtet. Zielgruppe sind in erster Linie StudentInnen, mitmachen kann jeder.

Das Projektmanagement, das die Investitionsbank Berlin, das Existenzgründer-Institut Berlin und das Bildungswerk der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg bilden, geht von folgender Überlegung aus: In Berlin und Brandenburg gibt es 15 Universitäten und Fachhochschulen und 700 wissenschaftliche Forschungseinrichtungen. Und irgendwo gibt es sie, die technologischen Spitzenleistungen, die nur darauf warten, markttauglich gemacht zu werden. Damit die IngenieurInnen und DoktorandInnen, die zwar fachlich kompetent sind, aber von Betriebswirtschaft im Regelfall keine Ahnung haben, sich zutrauen, mit ihren Ideen aus der Universität herauszugehen, und nicht gleich Schiffbruch erleiden, brauchen sie einen Anreiz und sehr viel kostenlose Beratung.

Das Zauberwort heißt Business-Plan. „Das Konzept des Business-Plans kommt ursprünglich vom Massachusetts Institute of Technology“, erläutert Viola Moritz vom Wettbewerbsbüro. „In den USA gehören Business-Pläne seit Mitte der achtziger Jahre zum Lehrplan.“ Ein Business-Plan soll vor allem zweierlei: Die GründerInnen sollen abschätzen lernen, wo die Probleme ihres Vorhabens liegen, potentielle GeldgeberInnen sollen sich ein realistisches Bild vom Marktpotential einer Idee machen können.

In Phase eins des dreiphasigen Wettbewerbs, die im Januar zu Ende ging, ging es darum, eine Idee zu entwickeln. Diesmal beteiligten sich 353 Leute, darunter 100 Frauen, mit 163 Projektideen. Jede Idee wird von 2 der etwa 50 Juroren – Banker, Fachleute für Marketing und Vertrieb, Unternehmensberater – in jeder Stufe ausführlich bewertet. Für die Sieger gibt es Preise, insgesamt 100.000 Mark.

Das Preisgeld ist Nebensache, ein netter Anreiz. „Entscheidend ist, daß die Leute mit ihren Ideen ständig von Fachleuten begleitet werden“, sagt ein Mitarbeiter vom Technological Coaching Centre Berlin, das NeugründerInnen berät. Das umfangreiche Rahmenprogramm mit Vorlesungen, Diskussionsrunden und Workshops ist komplett ausgebucht.

Daneben kann man mit Spezialisten individuelle Beratungsgespräche führen, auf neudeutsch „coaching“. Wo ist die beste Lage für unser neues Café, wie kann ich als wissenschaftliche Assistentin meine Doktorarbeit bis zur Patentreife bringen?

In Phase zwei, abgeschlossen im März, stand die Marktfähigkeit der Idee im Zentrum. Hier wird der große Schnitt gemacht. „Wer in Phase zwei noch dabei ist, macht auch Phase drei mit“, sagt Viola Moritz. Im vergangenen Jahr blieben von 148 Teams noch 81 übrig. Längst nicht alle gründen danach eine Firma. Denn in Phase drei geht's ums Geld. Was kostet die Idee, was kostet es, sie am Markt durchzusetzen, und vor allem: wer zahlt?

„Schwierig ist es besonders für die Projekte, die einen Finanzbedarf bis zu einer halben Million haben“, sagt Stephan Beyer, promovierender Wirtschaftsingenieur von der studentischen Unternehmensberatung TUBUS an der Technischen Universität Berlin. Summen wie diese sind von Privatleuten meist nicht aufzubringen, für Banken rentieren sich solche Finanzierungsvolumina kaum: Durch den Beratungsaufwand wird es zum Draufzahlgeschäft. Daß kleine Projekte daher oft abgewimmelt werden, ist ein offenes Geheimnis. Viola Moritz: „Der Wettbewerb soll auch das Klima bei den Banken verändern. Wir wollen, daß sie mehr auf eine interessante Idee schauen, die vielleicht nur 50.000 Mark braucht, und nicht nur auf die Zahlen. Das geht sehr langsam.“

Atemberaubend schnell ging es mit BNeD, Broadband Network Design. Gründung im November 1996, zweiter Preis im Vorjahreswettbewerb, nun Zusammenarbeit mit einem der größten amerikanischen Computerhersteller. Dirk Seewald und seine fünf Kollegen arbeiteten fast acht Jahre am Heinrich-Hertz-Institut in Berlin in der Forschung und wollten eigentlich ein Ingenieurbüro aufmachen, ganz ohne Kredite, weil es anders nicht gegangen wäre. Jetzt erstellen sie Computersimulationen für Hersteller und Benutzer von Glasfasernetzen und senken so die Erprobungskosten dieser Technologie. Mittlerweile hat die Firma 20 feste und 5 freie Mitarbeiter.

Das Zauberwort für BNeD heißt „venture capital“. Für Projekte, die in relativ kurzer Zeit, etwa fünf Jahren, eine hohe Rendite versprechen, finden sich durchaus Geldgeber, die als Partner einsteigen und so die Eigenkapitalbasis erhöhen. Im Falle von BNeD waren es T-Venture, die Venture-Capital-Gesellschaft der Telekom, und Techno Venture Management aus München, die einstiegen. Als Mitinhaber, nicht als Kreditgeber. Ziel ist der Börsengang von BNeD in einigen Jahren. Dann können die Kapitalgeber ihre Hälfte an der Firma mit gutem Gewinn weiterverkaufen, hoffen sie jedenfalls.

Steffi Schösser und ihre drei Mitstudentinnen von der Humboldt-Universität wollen nicht an die Börse und sehen das mit den Geldgebern auch nicht so dramatisch. Sie haben schon neben dem Studium ein Büro für Übersetzungen und kommunikative Dienstleistungen, „Belle Parole“. Alle vier studieren zusammen Dolmetscher für Italienisch. Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch kommen dazu.

„Unsere Wörterbücher haben wir, unseren PB auch“, sagt Schösser zur aktuellen Notwendigkeit von Krediten. Den Wettbewerb finden sie gut, vor allem die Seminare und Diskussionsrunden. „Man sieht, daß die anderen auch nicht alles wissen. Wir haben eine Menge neuer Ideen bekommen, Dolmetschen in einer Telefonkonferenz zum Beispiel.“

Ein berlin-brandenburgisches Jobwunder wird aus dem „Business-Plan-Wettbewerb“, der noch bis Juni läuft, nicht werden. Aus Brandenburg kam nur jede zehnte TeilnehmerIn. Aber eine feste Institution soll er sein, die Leuten die Chance gibt, sich auszuprobieren, damit sie ihre hoffnungsvolle Idee nicht gleich bei erster Gelegenheit gegen den Baum fahren.