Feierwehrrituale wider den Durst

■ Neues vom Dorf: „Mit Feuer und Flamme“, So., 22.05 Uhr, ARD

Aus der Vor-Hollywood-Zeit des tschechischen Regisseurs Milos Forman ragt sein Film „Feuerwehrball“ heraus. Viele sahen darin damals eine Satire auf die sozialistische Gesellschaft, der Forman bald den Rücken kehrte. Vielleicht war „Feuerwehrball“ aber auch bloß die liebevolle Inszenierung des gewöhnlichen Alltags in einem tschechischen Dorf.

Der Feuerwehrball mit seinen schrulligen Helden ist überall. Auch im Seevetal in der Elbmarsch, wo die ARD für die Serie „Unter Deutschen Dächern“ drehte. Wo das Ausbleiben der Katastrophe die Regel ist, stellt die Übung den Ernstfall dar. Ortsbrandmeister Hagemann wacht über der ordentlichen Formation seiner Truppe, die bald nach dem ersten Sirenensignal mit militärischem Ernst und ebensolchen Kommandos zur Löschung anrückt. Meist ist es nur der Durst, der brennt, aber jeder kann seine Geschichte vom Großeinsatz erzählen, bei dem es für alle ums Ganze ging. Opa Hagedorn ist den Tränen nahe, wenn er sich des Hausbrands in seiner Kindheit erinnert. Die erlebten und die erzählten Feuer sind Dorfmythos, und die Feuerwehr ist das Herz der Gemeinschaft. Mit Schlauch, Wasser und Apfelkorn erwehrt man sich der Gefahren, die von außen drohen. Der ethnographische Blick der Fernsehleute unter deutsche Dächer kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß man auch vom Seevetal aus in nur wenigen Minuten über die nahe Autobahn die große Stadt erreicht. Mit vollem Ernst und viel Liebe für die paramilitärischen Feuerwehrrituale scheinen die Feuerwehrleute doch zu wissen, daß der Zusammenhalt der Gemeinschaft mehr beschworen als gelebt wird. Gäbe es die Wehr nicht, meint Feuerwehrhauptmann Henning, wäre da bloß der Gesangsverein. Es ist rührend, wie die Moderne in Gestalt der Frage anklopft, ob Frauen zur Wehr zugelassen werden sollen. Die Alten lehnen es kategorisch ab. Henning begrüßt es, weil es irgendwie weicher ist. Harry Nutt