Gedämpfte Spendierfreude in Italien

■ Große Zurückhaltung bei Spenden für Schlamm-Opfer. Betroffene sehen darin Ressentiments gegenüber dem Süden

Neapel (taz) – Enttäuschte Gesichter bei den Betroffenen, verlegene Mienen bei den Angegangenen: So knauserig wie diesmal haben sich die sonst so spendierfreudigen Italiener noch nie gezeigt – und das Ausland auch nicht. Vier Wochen nach den verheerenden Schlammlawinen im neapolitanischen Hinterland mit 140 geborgenen Toten und noch immer an die 70 Vermißten ziehen die Spendenorganisationen eine traurige Bilanz: Gerade einmal umgerechnet 350.000 Mark sind zusammengekommen. Als im vergangenen Herbst in Umbrien die Erde bebte, gab es, verglichen mit der Schlammkatastrophe, nicht einmal ein Zehntel der Opfer. Doch kamen innerhalb nur einer woche mehr als umgerechnet dreieinhalb Millionen Mark zusammen.

„Es ist“, sagt ein Rotkreuzhelfer, „der allenthalben sprießende Rassismus: Die Schlammlawinen sind im Süden heruntergegangen, und da zieht kein Oberitaliener auch nur eine Lira heraus. Mit der bequemen Ausrede, daß sowieso alles nur bei der Camorra oder der Mafia landet.“

Daß an solchen Vorurteilen etwas dran ist, läßt sich nicht bestreiten. Nach Berechnungen des kürzlich verstorbenen Antimafiakämpfers Danilo Dolci sind umgerechnet zwei Milliarden Mark Hilfsgelder und Spenden für das große Beben im sizilianischen Belice-Tal 1968 zu mehr als der Häfte in mafiosen Kanälen gelandet. Daß man da bei Spenden eher ungute Gefühle bekommt, ist nachvollziehbar. „Doch steckt noch mehr, und Schlimmes, dahinter“, wie la Repubblica vermutet. Tatsächlich scheint es für viele doch deutliche Unterschiede zwischen Naturkatastrophen zu geben: Schlamm scheint offenbar weniger schlimm als Erdbeben, Erdbeben in Gegenden mit hoher Dichte an Kulturgütern, wie in Umbrien, spendenheischender als in Gegenden, wo man noch nie etwas von großen historischen Schätzen gehört hat.

Verlegen guckt derzeit die italienische Regierung weg. Tatsächlich hatte sie innerhalb weniger Tage Heere von Hilfsmannschaften nach Umbrien dorthin geschickt, Minsterpräsident und auch der Papst machten schnell ihre Besuche. Zum Schlamm in der Campania schickte man nur Staatssekretäre und Präfekten. Lediglich das in Sanro weggerissene Krankenhaus soll bis zum nächsten Jahr wiederhergestellt sein. Und vom Aufruf zu Spenden war nach den Dreckmuren bei Neapel auch nichts zu hören. „Da ist es eben auch kein Wunder, wenn niemand spenden will“, so die neapolitanische Tageszeitung il Mattino. „Wir sind eben arme Schlucker, und dabei soll es bleiben.“ Werner Raith