Die „Frauenkennziffer“ bringt's

Bundesländer dürfen weiterhin öffentliche Aufträge bevorzugt an Unternehmen geben, die Frauen fördern. Bundesrat bremste Bundesregierung aus  ■ Aus Berlin Barbara Debus

Der Hildesheimer Manager Johann Häckl war überrascht, als er die Post aus dem Land Brandenburg aufmachte. Sein Unternehmen stellt geflieste Trennwände für Küchen und Toiletten her und wollte sich um einen Bauauftrag für ein Forschungszentrum in der Landeshauptstadt Potsdam bewerben. In den Ausschreibungsunterlagen aus Potsdam fand sich ein Fragebogen, in dem der Prokurist Auskunft geben sollte, wie hoch der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in dem Betrieb „Kerapid“ ist.

Häckl füllte das Formblatt mit Stolz aus: „Unsere Betriebsleiterin ist eine Frau, die Stellvertreterin auch. Und die Arbeit mit den Fliesen machen viele Frauen, die haben eine ruhigere und gewissenhaftere Hand.“ Diese Einstellungspolitik sah man auch in Potsdam gern. „Kerapid“ bekam am Ende den Zuschlag, obwohl der Betrieb beim ersten Angebot nicht der preisgünstigste Bieter war. Aber aufgrund seiner hohen „Frauenkennziffer“ wurde „Kerapid“ gebeten, doch das erste Angebot auf das Niveau des günstigsten Konkurrenten herunterzuschrauben. In Zeiten der Auftragsflaute immer noch eine attraktive Offerte. Häckl zögerte nicht, auf diesen Vorschlag einzugehen. Seither ist der Hildesheimer Manager Befürworter der „Frauenförderung mittels Auftragsvergabe“.

Häckl kann damit rechnen, künftig noch öfter auf dem „Frauenticket“ an Aufträge heranzukommen. Denn am Donnerstag abend beschloß der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat, daß die Bundesländer weiterhin ihre staatlichen Aufträge an Kriterien knüpfen dürfen wie Tariftreue, Schaffen von Ausbildungsplätzen – und eben Frauenförderung. Am 23. April hatte der Bundestag mit seiner CDU/FDP- Mehrheit zwar beschlossen, den Ländern dieses Recht zu nehmen. Doch sowohl die SPD-regierten Länder als auch das CSU-geführte Bayern riefen am 8. Mai den Vermittlungsausschuß an.

Die stellvertretende wirtschaftspolitische Sprecherin der Bonner SPD-Fraktion, Sabine Kaspereit, zur taz: „Die Länder werden sich nicht gerne vorschreiben lassen, wie sie mit ihren Steuergeldern umzugehen haben.“ Dem Kompromiß des Vermittlungsausschusses um das „Vergaberechtsänderungsgesetz“ stimmten gestern vormittag auch Bundestag und Bundesrat zu.

Regelungen zur Frauenförderung sind bisher schon in einigen SPD-(mit-)regierten Ländern vorgesehen (zum Beispiel Berlin und Saarland). Doch tatsächlich politisch und praktisch durchgesetzt ist die „Frauenförderung mittels Auftragsvergabe“ bisher nur in Brandenburg. Und dies auch nur in der abgeschwächten Form, daß die Aufträge preislich einerseits über 100.000 Mark und andererseits unter den Schwellenwerten liegen müssen, die vorsehen, daß lukrative Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die zuständige Referatsleiterin im Potsdamer Frauenministerium Karin Böttger hatte gestern Grund zur Freude: „Der Kompromiß ist ein politisches Signal.“