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Volksuni droht die Selbstauflösung

■ Nur knapp 1.000 Besucher waren zum linken Lernfest gekommen

Nach 19 Jahren droht der Volksuni die Selbstauflösung: Aufgrund der „massiven Einbrüche bei den Besucherzahlen“ sei das traditionell zu Pfingsten stattfindende alternative Bildungsfest in seiner Existenz gefährdet, erklärte Veranstalter Steffen Emrich gestern gegenüber der taz. Angesichts der sinkenden Teilnehmerzahlen müsse „ernsthaft darüber diskutiert werden, ob und wie wir weitermachen können“.

Insgesamt ließen sich an den drei Pfingsttagen nur knapp über 1.000 Menschen in der Hochschule der Künste blicken. Besonders schlecht besucht waren die Veranstaltungen am Sonntag – vermutlich nicht nur wegen des schönen Wetters, sondern auch wegen des gleichzeitig stattfindenden Karnevals der Kulturen. „Vielleicht müssen wir akzeptieren“, bilanzierte Emrich nüchtern, „daß die Leute lieber zu einem bunten Umzug gehen, als über politische Themen zu diskutieren“. Die mangelhafte Beteiligung sei symptomatisch für den Geist der Zeit. „Die Volksuni war immer von sozialen Bewegungen abhängig. Wenn dort Stillstand herrscht, ist sie zwar noch politisch wichtig, aber nicht mehr leistbar.“

An dem über 80 Veranstaltungen umfassenden Programm kann die schwache Resonanz nicht gelegen haben. Selbst relativ hochkarätig besetzte Veranstaltungen mit Heidemarie Wieczorek-Zeul oder Franziska Eichstädt-Bohlig wurden von kaum mehr als 30 Leuten besucht. Höhepunkte mit mehr als hundert Besuchern bildeten eine Diskussion mit Wolfgang Wippermann zum „Schwarzbuch des Kommunismus“ sowie eine Veranstaltung mit Frithjof Bergmann aus New York über „Neue Arbeit“ in der vollautomatisierten Gesellschaft. Auch Veranstaltungen zu Urbanität und Rechtsextremismus waren vergleichsweise gut besucht.

Bei denen, die gekommen waren, stieß die Volksuni wie immer auf positive Resonanz. Eifrig wurde in den Veranstaltungen diskutiert: darüber, ob die multikulturelle Gesellschaft am Anfang oder am Ende stehe oder ob im Zeitalter der Reproduktionsmedizin „lauter heile Babys“ kreiert werden sollten.

Und es waren längst nicht nur die verbliebenen Alt-68er, die diskutierten. Unter dem Titel „Linke und Popkultur“ kam eine Gruppe engagierter Mittzwanziger zu einem munteren Diskurs zusammen, der die Theorien der alteingesessenen Antikapitalisten Lügen strafte: „Die Kulturindustrie, zu der längst nicht mehr nur MTV und Viva, sondern auch Hoechst und Reebok gehören, nutzen statt stören“ hieß die Devise.

Ob die Volksuni nun weitergeht oder nicht – in jedem Fall sollten sich die Veranstalter nach neuen Räumen umsehen. So verteilten Rollstuhlfahrer am Sonnabend Flugblätter und riefen zum Boykott auf. Mit dem Motto der diesjährigen Volksuni hatten sie ein brillantes Argument auf ihrer Seite: „Ausgrenzung 2000“! Jeannette Goddar

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