Privatbahnen bringen Briten in Rage

■ 650.000 Fahrgäste schrieben vergangenes Jahr Protestbriefe an die Bahngesellschaften – Service erheblich schlechter als vor Privatisierung

Berlin (taz) – Staatsbahnen machen glücklich – diese für deutsche Kunden vielleicht ungewöhnlich klingende Erfahrung machen zur Zeit die Briten. Seitdem ihre Regierung in den vergangenen Jahren einen großen Teil des Eisenbahnsystems an private Betreiber verkauft hat, stapeln sich nun die Klagebriefe über den schlechten Service: Mehr als 650.000 Inselbewohner beschwerten sich im vergangenen Jahr über Verspätungen, ausgefallene Züge und überfüllte Abteile. Das berichtet die britische Zeitung Independent. Eine vernichtende Bilanz für die neuen Bahngesellschaften: Unter staatlicher Regie gab es nicht annähernd so viele Beschwerden – 1996 etwa machten sich nur 9.750 Kunden die Mühe zu schreiben.

Auslöser der Protestflut sind die Einsparungen der Privaten. Bei South-West-Trains sind zum Beispiel vergangenes Jahr Hunderte von Zügen ausgefallen, weil das Unternehmen zu viele Lokführer entlassen hatte. Virgin West Coast gilt als „spektakulär unpünktlich“, sogar offiziell waren ein Fünftel aller Züge „out of time“.

Die Unternehmen wollen die Masse der Proteste nicht nur auf mangelnde Leistung zurückführen. Schließlich hätten sie ihre Kunden extra aufgefordert, alle Mängel zu melden. Für die Mitglieder der britischen Initiative „Rettet unsere Eisenbahn“ zeichnet sich dagegen bereits eine „Revolution der Eisenbahnkunden“ gegen die neuen Bahnchefs ab: Die Fahrgäste seien es leid, daß sich die privatisierten Regionalfirmen mehr mit ihrer Unternehmens-PR als mit dem Betrieb der neu erstandenen Züge beschäftigten. mfn