Der einzig wahre Matjes

Heringskrieg an der Unterelbe: Billigware bedroht den guten Ruf des traditionsreichen „Original Glückstädter Matjes“  ■ Von Gabriele Knoop

Saftig, mild und besonders aromatisch soll er sein. Deshalb wird der erste nach speziellen Verfahren erzeugte Glückstädter Matjes erst drei Wochen später als herkömmliche holländische und dänische Ware zum Saisonauftakt angeboten. Seit 30 Jahren hat die Kleinstadt an der Unterelbe mit dieser Traditionspflege dem „Glückstädter Matjes“ bei Fischliebhabern ein besonderes Image verschafft, das sie in jüngster Zeit auch verstärkt touristisch vermarktet.

Dieser Ruf droht jetzt durch das Konkurrenzgebaren der örtlichen Gastronomen und einen möglichen „Etikettenschwindel“, nach dem auch die billigere holländische Massenproduktion als Glückstädter Spezialität deklariert werden sollte, beschädigt zu werden. Und das kurz vor dem gastronomisch-touristischen Saison-Höhepunkt, den Glückstädter Matjeswochen, die am 18. Juni beginnen.

„Wir bieten reine, natürlich ausgereifte Ware an, die nicht mit künstlichen Enzymen versetzt und maschinell verarbeitet wird“, preist der Glückstädter Gastronom Heiko Raumann seine Produkte an. Er stellt seit drei Jahren in einer eigenen kleinen Firma nach geheimen Rezepturen „Original Glückstädter Matjes“ her und vertreibt jährlich 220.000 Filets sogar europaweit.

Er wirft einem Kontrahenten, der seit kurzem ebenfalls handverarbeiteten Matjes produziert, jetzt aber schon – drei Wochen vor dem offiziellen Saisonstart – damit auf den Markt kam, Traditionsbruch vor. Das frühe Datum lasse sich nur durch die Verarbeitung unzureichend genährter Heringe erreichen, die sich noch kein Fett anfressen konnten und trockener schmeckten, sagt Raumann.

Der „Glückstädter Matjes“ ist durch die Wiederbelebung alter Arbeitsweisen und Einsalzungsrezepte, nach denen der extra aus Norwegen bezogene, noch nicht geschlechtsreife Hering vor Ort ausgenommen und in Holzfässern eingesalzen wird, zum besonderen Markenzeichen geworden. Körpereigene Enzyme, die durch absichtlich verbliebene Darmreste wirksam werden, lassen den Fisch, der im hohen Norden erst nach dem Erreichen eines Fettgehaltes von rund 20 Prozent (dagegen in Holland schon bei zwölf Prozent) gefischt wird, besonders mild und aromatisch reifen. Erst nach der mehrwöchigen Pökelung wird er von Hand entgrätet und filetiert.

Bislang hat Raumann auch die meisten Glückstädter Lokale beliefert. Doch seinen Kollegen ist seine aufwendig produzierte lokale Fischspezialität in dieser Saison offenbar zu teuer geworden. Sie haben sich nach holländischer Ware umgesehen, für die sie pro Filet rund ein Drittel weniger bezahlen.

Raumann läßt sich durch den Boykott der übrigen Gastronome nicht beeindrucken: „Ich habe bislang bevorzugt die Glückstädter beliefert, muß aber meine Kosten decken. Wenn die Region nicht mitzieht, verstärke ich den Handel nach außerhalb. Die Nachfrage steigt ständig.“