■ Eigentlich wollte er ihn ja niederschlagen, ging aber nicht: Ein norwegischer Boxer boxt: Ole halbschwer k.o.
So enden Männerträume: „Aua! Es tut so weh! Es tut so furchtbar weh!“ Mit eben diesen Worten endete am letzten Wochenende auch der Versuch des norwegischen Boxers Ole „Lukkøye (= Sandmann)“ Klemetsen, dem US-Amerikaner Regis Johnson den Weltmeistertitel des IBF- Verbandes im Halbschwergewicht wegzunehmen.
Egentlich war alles so schön geplant gewesen: Der Kampf wurde zwar nicht in Norwegen, wo das Profiboxen gesetzlich verboten ist, sondern in Italien ausgetragen. Kein Heimspiel also, aber daran sind norwegische Boxer gewöhnt, Ole Klemetsen boxte einen früheren Kampf vor einigen Jahren in internationalen Gewässern auf einer Ostsee-Fähre. Und dann das: „Aua! Es tut so weh!“
Dabei hatte sich der Klemetsen- Klan auch in Kleinigkeiten als gut vorbereitet erwiesen. Bei einem Boxkampf in Wien im Jahr 1996 war Ole Lukkøye mit einem extra für ihn komponierten Lied angetreten, in dem ein Wortspiel mit Ole, Dole, Doff vorkam – so heißen Tick, Trick und Track auf norwegisch –, und das hatte sich als falsch erwiesen: „Beim Einmarsch hat er sich viel mehr auf die Reaktion des Publikums auf den Song als auf den bevorstehenden Kampf konzentriert“, beklagte sein Vater John hinterher, nun hatte ein Milionär angeboten, für eine passende Hymne zu sorgen.
Obwohl Ole Klemetsen und sein Team durchaus selbst musikalisch sind: Um den zu Hause gebliebenen Fans die Möglichkeit, den Fight bei einem Pay-per-View- Sender für umgerechnet 60 Mark zu buchen – im öffentlich-rechtlichen Programm darf verbotener Sport natürlich nicht laufen –, schmackhaft zu machen, hatte Anfang letzter Woche der Fernsehjournalist Steffen Tangstadt eine prima Idee: Man solle doch einfach mal bei der Johnson-Crew vorbeischauen, und er würde diesen Besuch dann filmen. Die Idylle der US-Amerikaner am Swimmingpool wurde daraufhin jäh gestört, als Familie Klemetsen, inklusive Kuhglocken, norwegischer Fahne, der Verwandtschaft und drei Gitarren plötzlich auftauchte und ihrem Publikum „Bye, bye, Regis, Regis bye-bye!“ vorsang. Eine Massenschlägerei entstand, in deren Verlauf die beiden Boxer sich zwar zurückhielten, Tangstadt allerdings in die Hand gebissen wurde.
Einen Tag später entschuldigte man sich offiziell beim amtierenden Weltmeister, der ankündigte, seine Antwort später im Ring zu geben. Dort dauerte es dann exakt zwei Minuten und 45 Sekunden, bis Regis den ersten schweren Treffer landete, kurze Zeit später wurde Ole, obwohl schwerer, größer und mit größerer Reichweite, zum ersten Mal angezählt. In zwei Runden machte er Regis zwar große Probleme, aber für den Titelgewinn reichte das nicht. „Du hast ihn, Ole, er ist müde!“ feuerte Vater John, selbst ein ehemaliger Berufsboxer, seinen Sohn unermüdlich an, aber der war selber müde, hatte überdies einen Cut an beiden Augen und wurde immer wieder von Johnson schwer getroffen.
„Vor dem Kampf haben wir über den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage gesprochen, jetzt weiß ich, daß er größer ist als der zwischen Tag und Nacht. Aber daran denke ich jetzt nicht. Es tut so weh“, sagte Klemetsen nach dem Fight, bevor er in seiner Garderobe zusammenbrach. „Ich habe nur daran gedacht, ihn niederzuschlagen, aber das ging nicht“, erklärte Klemetsen später, „er war gut, schlug enorm hart, und nun hab' ich fürchterliche Schmerzen. Aber ich komme wieder!“ Sein dänischer Trainer Ivor de Lima sieht das ähnlich, immerhin habe sein Schützling zwölf „knallharte Runden durchgestanden“. Jetzt komme es darauf an, „die Gitarre wegzulegen und besser zu trainieren“, und sich so die restlichen paar Prozent, die zur Höchstleistung gegen Regis noch fehlten, zu holen. Bis er das Ole klargemacht hat, wird's wohl noch ein bißchen dauern: „Es tut so weh. Ich will nicht mal mehr denken!“ Elke Wittich
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