UN-Bericht wirft Laurent Kabila Genozid vor

■ Die Guerilla-Truppe Kabilas soll Massaker an den ruandischen Hutu-Flüchtlingen begangen haben. Report der Kongo-Untersuchungskommission sagt nichts über die Rolle der UNO selbst

Berlin (taz) – Es ist soweit, der lang erwartete Bericht ist da. Acht Monate hatte die UN-Kommission im Kongo unter ständiger Behinderung recherchiert. Am 17. April zog UN-Generalsekretär Kofi Annan die Untersuchungskommission, die Vorwürfe von Massakern an Hutu-Flüchtlingen durch AFDL-Truppen im kongolesischen Bürgerkrieg untersuchen sollte, aus Verärgerung ab. Seitdem wurde aus der Ferne geforscht.

Die Washington Post berichtet unter Berufung auf UN-Quellen, der Bericht werfe den Truppen des damaligen Rebellenführers und heutigen Präsidenten des Kongo, Laurent Kabila, Massaker an ruandischen Hutu-Flüchtlingen, Frauen und Kindern vor. Kabilas Einheiten hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen – auch das Wort „Genozid“, Völkermord, werde dabei benutzt. Der Bericht empfiehlt die Einrichtung eines internationalen Tribunals, um über die Vorwürfe zu verhandeln. Doch nach dem schleppenden und komplizierten Fortgang der Verhandlungen im Ruanda- Tribunal in Arusha kann niemand so recht glauben, daß der Sicherheitsrat tatsächlich ein weiteres Tribunal billigt.

Noch völlig unklar ist, wann, ob und wie der Bericht veröffentlicht wird – Kofi Annan zögert, das angeschlagene Verhältnis der UN zum Kongo weiter zu belasten.

Beim Völkermord 1994 hatten Hutu-Milizen in Ruanda 500.000 Tutsi und moderate Hutu umgebracht. Zurückgedrängt von den Einheiten der Ruandischen Patriotischen Front waren sie schließlich mit Tausenden von Zivilisten nach Zaire geflohen, wo die UN große Flüchtlingslager in der Provinz Kivu einrichtete. Im Oktober 1996 startete die ruandische Armee eine Offensive gegen die Flüchtlingslager.

An den Militärschlag Ruandas schloß sich der Eroberungszug von Kabilas AFDL in Zaire an. Acht Monate später konnte Kabila Zaires Diktator Mobutu nach 32jähriger Herrschaft verjagen und selbst als neuer Führer der nunmehr umbenannten Demokratischen Republik Kongo die Macht übernehmen. Vorwürfe, Kabila habe Massaker an den Hutu-Flüchtlingen während der Kampfzeit zu verantworten, sind seither immer konkreter geworden.

In der Provinz Kivu kennt jeder die Massengräber. In Maniema berichten Missionare von einer regelrechten Menschenjagd, die Eltern dazu bewegt hat, ihre Kinder in den reißenden Fluß zu werfen, um sie nicht den Truppen der AFDL/ APR (ruandischen Armee) auszuliefern, bevor sie selber umgebracht wurden. Aus Mbandaka wird ähnliches berichtet.

Daß es einen Militärschlag der ruandischen Armee auf die Flüchtlingslager im Osten des damaligen Zaires geben würde, war vorher bekannt, auch den Vereinten Nationen. Zulange bargen die Lager für die ruandische Regierung die Gefahr des Angriffs durch die Milizen, die sich hierher zurückgezogen hatten. Außerdem: Nach internationalem Recht hätten die UN die Lager nie direkt an der Grenze errichten dürfen, es ist ein Mindestabstand von 50 Kilometern vorgesehen.

Anfangs gab es auch Pläne, die Lager weiter ins Landesinnere zu verlegen, was jedoch an dem Protest der Umweltschützer (vorgesehen und einzig geeignet war ein Gebiet in der Nähe des Naturschutzgebietes, wo die Berggorillas ansässig sind) und der mangelnden Infrastruktur scheiterte. Zwei Jahre lang hielt die UN die Flüchtlingslager im Kivu aufrecht, ohne Zukunftskonzept, fast schon lethargisch. Zwei Jahre, in denen jeder Tag mehr als eine Million US- Dollar kostete.

Hinter vorgehaltener Hand wird heute zugeben, daß die Flüchtlingszahlen damals überschätzt und künstlich aufgebauscht wurden. Daran hatten alle Interesse: die Flüchtlinge selber, um sich mehr Bedeutung zu geben, genauso wie Zaire. Auch die UN und Hilfsorganisationen konnten so ihre enormen Kosten einfacher rechtfertigen. Oliver Meisenberg