Sachsen gewinnen – trotz Helmut Kohl

Die CDU im Freistaat „König“ Biedenkopfs will sich im Bundestagswahlkampf von der Parteizentrale absetzen. Das Standardplakat der Bundes-CDU wird nicht geklebt, sächsischer Eigensinn steht im Vordergrund  ■ Von Toralf Staud

Leipzig (taz) – Sogar in Sachsen wird die CDU nervös. Keine vier Monate sind es bis zur Bundestagswahl, und der Trend zeigt auch in Biedenkopfs Freistaat nach unten. Ende April scheiterte der CDU- Kandidat bei der Wahl zum Leipziger Oberbürgermeister mit jämmerlichen 17 Prozent. Die SPD holte knapp 50 Prozent. Es folgte der Absturz im Nachbarland Sachsen-Anhalt. Auch beim Entscheid um den Görlitzer Stadtchef gab die CDU ein klägliches Bild ab.

Bisher war man anderes gewohnt. Im Dresdener Landtag regiert der „König“ von Sachsen, Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, mit einer absoluten Mehrheit von 58 Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl siegte seine Partei in allen 21 Wahlkreisen und errang so, trotz phänomenaler 48 Prozent, drei Überhangmandate. „Wir haben wesentlich dazu beigetragen, daß Kohl 1994 in Bonn weiterregieren konnte“, ist der Generalsekretär der Sachsen-CDU, Steffen Flath, noch heute stolz.

1998 ist die Sachsen-CDU bescheidener geworden, etwas über 40 Prozent sind das angestrebte Ziel. „Wir müssen was tun“, sagt Flath. Von einem Richtungswahlkampf, wie ihn Peter Hintze plant, hält er aber nichts. Zwar hat auch Flath dem Plakatentwurf Hintzes zugestimmt, betont jedoch, daß das Motiv „nicht im Mittelpunkt“ des Wahlkampfes der sächsischen CDU stehen werde. Statt dessen will man „inhaltsbezogen“ arbeiten. Eine Kampagne, die „sächsische Interessen“ öffentlicht betont, soll die Partei vom Bundestrend abkoppeln. Dies sei der einzige Weg, die Wahl im Herbst zu gewinnen – „trotz des Kanzlers“, wie die Leipziger Volkszeitung einen Anonymus aus der sächsischen CDU-Spitze zitiert.

Die Differenz beginnt bei äußeren Akzenten: Kaum ein Kandidat mag das Standardplakat aus der Bonner Parteizentrale verwenden. Sachsens CDU hat statt dessen ein eigenes entwerfen lassen, auf dem die Landesfarben Grün und Weiß und der Slogan „Für Sachsen in den Bundestag“ ins Auge stechen. Im Vordergrund sollen stets die Wahlkreiskandidaten stehen. Ihre Erst- sollen Zweitstimmen ziehen – genau andersherum als bisher, erklärt der Generalsekretär seine Strategie. In der Parteizeitung fordert er von seinen 21 Kandidaten: „Wandern im Wahlkreis statt Urlaub am Meer.“ Denn auf die Hilfe der Medien, so Flath, „können wir nur begrenzt vertrauen“.

Ein zweiter Teil des Wahlkampfs spielt auf der Bonner Bühne. Der CDU-Landesvorsitzende Fritz Hähle kündigte an, seine Bundestagsabgeordneten würden die letzten Sitzungswochen für ein paar aufsehenerregende Aktivitäten nutzen. „Am sinnvollsten wäre es, wenn noch ein paar Millionen an Infrastrukturmitteln lockergemacht würden“, glaubt Generalsekretär Flath. Am liebsten wäre ihm Geld für den Straßenbau. Außerdem bastelt die sächsische Landesgruppe in Bonn an einem Forderungskatalog für den Aufbau Ost, den man an die künftige Bundesregierung richten werde – gleich welcher politischen Farbe.

Sachsens CDU will sich als der moderne Teil der Gesamtpartei präsentieren. Sie baut dabei stark auf die Ergebnisse der sächisch- bayerischen Zukunftskommission. Über den Arbeitsmarkt und den Solidaritätszuschlag werde man reden, verspricht Flath. Auch über die Renten und Familienpolitik, zum Beispiel über das Kindererziehungsgehalt. Selbst unpopuläre Wahrheiten würden nicht verschwiegen. Klar, daß die Sachsen lieber Wolfgang Schäuble als Kanzlerkandidat gesehen hätten. Daß es nun Kohl sei, könne man nicht mehr ändern. „Damit müssen wir leben“, sagt Flath.

Die sächsische CDU hofft insgesamt, daß etwas vom querköpfigen Image ihres Ministerpräsidenten abfärbt. Er soll bis zum Herbst in jedem der 21 Wahlkreise auftreten. Immer wieder wird die Partei daran erinnern, daß Biedenkopf mit Kohl überhaupt nicht einer Meinung ist. Ganz selbstverständlich gibt Generalsekretär Steffen Flath zu, wer der Sachsen-Union bei all den Absetzbewegungen als gutes Vorbild dient: „Ein bißchen was gucken wir uns von der CSU ab.“