Steuerflüchtlingen bleibt Zeit

Obwohl sich Theo Waigel weiter optimistisch zeigt, werden sich die EU-Finanzminister vorläufig nicht über eine einheitliche Quellensteuer einigen können  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Europäische Union unternimmt einen neuen Anlauf, die Steuerfestung Luxemburg zu schleifen. Die Mehrheit der EU- Finanzminister unterstützte gestern den Vorschlag von EU-Steuerkommissar Mario Monti, nach dem künftig alle EU-Länder die Zinseinkommen von Ausländern mit mindestens 20 Prozent besteuern sollen. Nach Ansicht eines deutschen Diplomaten geht es nur noch darum, „wie lange Luxemburg Widerstand leistet“.

Vor allem Bundesfinanzminister Theo Waigel drängt seit langem auf eine EU-Regelung, um deutsche Steuerflüchtlinge davon abzuhalten, ihr Geld in Luxemburg anzulegen. Doch bisher scheiterten alle Versuche einer europäischen Lösung an der starren Haltung der Luxemburger Regierung, die auf das lukrative Geschäft als Bankenplatz nicht verzichten will. Nach dem neuen Vorschlag soll es den Regierungen überlassen bleiben, ob sie auf ausländische Spareinlagen eine Quellensteuer von 20 Prozent erheben oder Kontrollmitteilungen an die Finanzämter in den Heimatländern der Sparer verschicken.

Waigel hätte gerne eine höhere Quellensteuer, damit würden aber die Chancen sinken, überhaupt eine gemeinsame Regelung durchzusetzen. Aus Luxemburger Sicht wäre eine Quellensteuer von zehn Prozent gerade noch erträglich – weil es sich dann für ausländische Anleger immer noch lohnen würde, ihr Geld ins Herzogtum zu bringen. Der Kompromiß dürfte irgendwann bei 15 Prozent landen.

Luxemburg spielt allerdings auf Zeit und hat gute Argumente. Zum einen läßt bisher auch Deutschland ausländische Spareinkommen steuerfrei davonkommen. Und Luxemburg ist nicht das einzige Steuerparadies in der EU. Man werde einer Zinsbesteuerung nur zustimmen, so Wirtschaftsminister Robert Goebbels, wenn auch die Unternehmenssteuern harmonisiert würden. Vor allem Irland, die Niederlande und Belgien, aber auch die Sonderterritorien der Briten – Gibraltar, Jersey, Isle of Man und die Cayman Islands – bieten ausländischen Unternehmen günstige Steuerbedingungen. Monaco und Andorra gelten als lohnende Oasen.

Eine Lösung ist deshalb nur als Gesamtpaket vorstellbar, was die Widerstände deutlich vermehrt. So ist kaum nachzuvollziehen, daß Waigel fest an eine Lösung im kommenden Jahr glaubt, wenn Deutschland die EU-Präsidentschaft übernimmt. Der österreichische Finanzminister Rudolf Edlinger beispielsweise erwartet, daß die EU die Steuerharmonisierung in fünf Jahren schaffen kann.

Eine mögliche Bruchstelle innerhalb der EU dürfte aber erst einmal gekittet zu sein. Die elf Finanzminister der Euro-Zone, die sich am Donnerstag abend erstmals alleine getroffen hatten, betonten, sie wollten ihre Arbeit für die Nicht-Euro-Länder transparent halten. Beschlußfassendes Gremium bleibe ohnehin der EU- Finanzministerrat.