Kroate wegen Vergewaltigung vor UN-Tribunal

■ Dem Kommandanten wird „besonders abscheuliche sexuelle Mißhandlung“ vorgeworfen

Den Haag (dpa/AFP) – Vor dem UN-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag hat gestern der erste Prozeß wegen Vergewaltigung begonnen. Angeklagt ist ein ehemaliger Kommandant der bosnisch-kroatischen Militäreinheit „Die Joker“, der 28jährige Anto Furundjia. Die Anklage legt ihm einen „besonders abscheulichen Fall von sexueller Mißhandlung“ zur Last. Der Angeklagte selbst beteuert, er sei unschuldig.

Der Haftbefehl gegen Furundjia war 1997 so lange geheimgehalten worden, bis ein niederländisches Kommando der SFOR- Truppen ihn in der zentralbosnischen Stadt Vitez im Dezember des Jahres festnehmen konnte. Bei dieser Aktion war ein weiterer mutmaßlicher Kriegsverbrecher, der 39jährige Vlatko Kupreskić, durch Schüsse verletzt worden. Die gewaltsame Festnahme diente damals als Warnung an alle vom Haager Tribunal gesuchten Kriegsverbrecher, sich freiwillig zu stellen. An die obersten Kriegsverbrecher wie die bosnischen Serben Karadžić und Mladić haben sich die SFOR-Truppen bis heute nicht herangetraut.

Das UN-Tribunal ist das erste Gericht seiner Art, das Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen einstuft. Die Beweisführung gilt als besonders schwierig. Im Furundjia-Verfahren geht es um die mehrfache Vergewaltigung einer Muslimin aus Vitez. Wie Ankläger Michael Blaxill berichtete, war sie am 15. Mai 1993 in das Hauptquartier der besonders brutalen „Joker“ verschleppt worden. Dort habe sie nackt vor den Soldaten tanzen müssen. Danach habe Furundjia sie verhört. Immer wenn sie nicht die erwarteten Antworten gegeben habe, sei sie von einem der Soldaten bedroht, geschlagen und vergewaltigt worden. Furundjia habe sich daran zwar nicht direkt beteiligt, sei aber als höchster Offizier der letztlich Verantwortliche gewesen.

Der Verteidiger Luka Misetić wies alle Vorwürfe zurück. „Anto Furundjia war nicht dabei“, versicherte er. Die vergewaltigte Frau erinnere sich nicht richtig. Zu den Richtern sagte er: „Sie werden Mitleid mit dieser Frau haben, aber die Beweise werden Ihnen zeigen, daß diese Zeugin unzuverlässig ist.“

Im Gefängnis des Tribunals sind zur Zeit elf kroatische Angeklagte inhaftiert. Unter ihnen ist auch der Hauptverdächtige, Dario Kordić. Er soll als stellvertretender Regierungschef der selbsternannten Republik der bosnischen Kroaten von 1992 bis 1993 die Befehle für Terrorkampagnen gegen Muslime in Zentralbosnien gegeben haben.

Das Haager Tribunal hat bislang 60 Haftbefehle gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher aus Ex-Jugoslawien erlassen. Nur 28 wurden bisher gefaßt.