Mochovce angefahren

■ Trotz massiver Auslandsproteste setzt die Slowakei ihr Schrott-AKW in Betrieb

Berlin (taz) – Alle Einwendungen gegen den Betrieb des unsicheren Atomkraftwerks im slowakischen Mochovce blieben wirkungslos: Gestern fuhren die AKW-Ingenieure den ersten von zwei Reaktorblöcken russischer Bauart (WWER 440) für den Testbetrieb an. Auch der Stopp aller Kredite der Osteuropa-Bank in London sowie Sicherheitsgutachten, die unzulässige Schweißnähte am Reaktorkern nachwiesen, hatten keinen Einfluß mehr auf die Entscheidung der slowakischen Regierung. Sie will unbedingt in Mochovce Atomstrom produzieren. Gegenüber der taz erklärte der österreichische Leiter der 22köpfigen Mochovce-Überprüfungskommission, Wolfgang Kromp, der von der tschechischen Firma Skoda im Jahr 1984 gefertigte Reaktordruckbehälter berge „Gefahren in Störfallsituationen“. Mit der Zeit werde der Stahl des Druckbehälters durch den ständigen Neutronenbeschuß aus den Brennstäben spröde: Nach einigen Betriebsjahren bestehe daher die Gefahr, daß der Behälter bei einer Notfallkühlung bersten könne.

Offensichtlich hat auch die deutsche Regierung die drohende Versprödung bei ihrer Kreditvergabe nicht berücksichtigt. Dabei ist das nicht mal der einzige schwere Sicherheitsmangel des slowakischen Atommeilers: Zusätzlich hatten Seismologen und die österreichische Umweltorganisation Global 2000 im 180 Kilometer entfernten Wien auf Erdbebengefahr hingewiesen. Doch für Ministerpräsident Vladimir Mečiar, der trotz internationaler Kritik und einem Kreditveto des Europäischen Parlaments Mochovce anfahren ließ, wogen anstehende Kreditrückzahlungen an die westlichen Geldgeber schwerer als bauliche Verstöße gegen Sicherheitsnormen. Der Reaktor muß aus seiner Sicht endlich Geld einfahren.

Folgerichtig weigert sich die Regierung in Bratislava bis heute, wichtige Sicherheitsdokumente des AKW vorzulegen. Wissenschaftler betitelten Mochovce angesichts der nicht harmonierenden Synthese von russischer und westlicher Technik gestern als „Trabi mit Airbag“. Nach einem ersten Baustopp aus Geldmangel hatten westliche Firmen, darunter Siemens, den Reaktor russischer Bauart fertiggestellt.

Derweil werden die Atomkonzerne nervös: Die österreichische Regierung hat nämlich angekündigt, ein Atomhaftungsgesetz zu erlassen, das die Reaktorhersteller im Falle eines Strahlenunfalls finanziell zur Verantwortung ziehen soll. Wolfgang Breyer, Sprecher der Siemens-Kraftwerke Union (KWU), wollte zwar zu diesem geplanten Atomhaftungsgesetz gestern keine Stellung beziehen, zitierte aber diesbezüglich die „ablehnende Haltung der österreichischen Wirtschaft, zu der auch Siemens Austria gehört“.

International versuchen Reaktorproduzenten seit Jahren, Haftungsverpflichtungen zu umgehen, unter anderem durch internationale Konventionen, in denen Schadensobergrenzen festgelegt sind. Breyer erklärte, Österreichs Haftungsforderungen bei Atomunfällen würden in anderen Ländern nicht unterstützt. Peter Sennekamp