Stellvertreter hält den Rücken frei

■ Für kleine Firmen ist Job-Rotation attraktiv: Mitarbeiter lernen und Arbeitslose kriegen einen Fuß in den Beruf / Pilotprojekt

Das Prinzip ist ebenso simpel wie bestechend: Kleine Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter neue Kenntnisse erwerben. Damit die tägliche Arbeit nicht liegenbleibt, erledigt vorübergehend ein Arbeitsloser als Stellvertreter die Aufgaben des Stamm-Beschäftigten, bekommt Berufspraxis und verbessert so seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Job-Rotation heißt dieses Modell und wird nach Erfolgen in skandinavischen Ländern und einigen deutschen Städten nun auch in Bremen erprobt.

Den ersten Schritt haben die Betreuer des Pilotprojekts vom Arbeitslosenzentrum (ALZ) in Bremen-Nord jetzt getan: Sie haben 14 kleine und mittelständische Firmen für die Job-Rotation interessiert. „Auf diese Weise können wir vielleicht Monteure zum Meister qualifizieren“, sagt Alexandra Lück-Seidel, Personalentwicklerin bei der Aktiengesellschaft für Telekommunikation (AGT), einem Gröpelinger Mittelständler mit 100 Beschäftigten. Attraktiv sei die Chance, ohne eigene Kosten potentielle künftige Mitarbeiter bis zu sechs Monate lang zu testen.

Die Wünsche der Firmen sind unterschiedlich: Eine kleinere Sanitär-Installationsfirma würde gerne für ein paar Tage Handwerker freistellen, damit Lieferanten ihnen neue Boiler oder andere Produkte erklären können. Der Windanlagenbauer AN denkt daran, seine Monteure für Auslandseinsätze Fremdsprachen lernen zu lassen.

Zwar sei das Projekt auf die Weiterbildung in der Elektro-, Metall-, oder Installationsbranche angelegt, man werde aber flexibel auf Firmenwünsche reagieren, verspricht ALZ-Projektleiter Heiner Rehling. „Wir wollen schließlich ein Modell verankern und die Job-Rotation als normales arbeitsmartktpolitisches Instrument etablieren“. Großbetriebe sind laut Förderrichtlinien ausgeschlossen.

Sich neben der normalen Tagesarbeit weiterzubilden, schreckt bisher viele Vollzeitbeschäftigte ab. So bleibt gerade in kleinen Firmen viel Potential für Innovationen ungenutzt. „Bei uns gibt es qualifizierte Leute“, weiß AGT-Vorstand Klaus Ahlers, „denen fehlt nur der Tritt in den Hintern, sich zur Meisterschulung anzumelden.“ Wenn die Firma Interesse an einer Weiterqualifizierung signalisiere, dann heiße das auch, „du hast eine Chance im Unternehmen“, sagt Ahlers.

Das ALZ will bis zum Oktober einen Pool von zunächst 15 Arbeitslosen zusammen haben, die nach den Bedürfnissen der Firmen ausgesucht werden sollen. Dann soll auch das Training für die Stellvertreter beginnen, die auf ABM-Stellen mit 80 Prozent Tariflohn beim ALZ angestellt werden. Insgesamt wird das bis zum 31.12.2000 befristete Pilotprojekt mit 1,3 Millionen Mark aus dem ADAPT-Programm der EU zur Förderung von Kleinunternehmen finanziert. Weiterhin beteiligen sich der Senator für Arbeit mit 400.000 und die Bundesanstalt für Arbeit mit 1,2 Millionen Mark. Vorgesehen ist, bis zum Ende des Projekts 30 Stellvertreter für die Firmen abrufbar zu haben. Zu wenig für Bernhard Oldigs vom ALZ: „Da bin ich optimistischer“.

Allerdings stellen sich durch Job-Rotation auch andere Anforderungen an die Bildungsträger: „Wir brauchen natürlich nicht mehr Abendkurse, sondern Vollzeitkurse über eine oder mehrere Wochen.“

Joachim Fahrun