■ Querspalte: Dicke Lippe, doofe Lacher
Jürgen von der Lippe ist 50 geworden. Reden sie jetzt nicht von umgefallenen Reissäcken, die Sache ist ernst. Schlimm – von der Lippe glaubt immer noch, sie sei lustig, die Sache, sein Werk. Sein auch WDR genannter „Haussender“ quälte seine Zuschauer schon am Sonntag abend mit einem Themenabend, dessen Gleichförmigkeit schon arte-Ausmaß hatte. Zu sehen gab es „Ausschnitte aus der ,Guten Morgen, liebe Sorgen Tour 1989‘“ und eineinhalb Stunden „So isses – Das war's“. Leider war's das nocht nicht, denn am Montag abend gab es in der ARD noch „So isser“ und wiederum im WDR „Lippes Lachmix“. Nun könnte man sagen, die Anstalten hätten eine dicke Lippe riskiert, aber natürlich war es eine sichere Sache, so was wollen die Leute sehen. Die unangenehme Offensive bot Gelegenheit, noch einmal (einmal noch!) genau hinzusehen, wie er denn ist und was das überhaupt ist. Und warum die Menschen wohl darüber lachen.
Gerne wird Jürgen von der Lippe gefragt, ob er denn lieber Showmaster vor einem Millionenpublikum sei oder – „das machen Sie ja immer noch mit schöner Regelmäßigkeit!“ – in Provinz-Mehrzweckbauten 200 Generation-Golf-Cabrio- Angehörigen einen als lustig empfundenen Abend bereite. Nun, sagt dann Herr Lippe gedehnt, beides sei ihm sehr wichtig, er wolle auf keine dieser Disziplinen verzichten. Er glaubt immer noch, über die bloße Anzahl der Zuschauer hinaus bestünde gerade in seinem Fall ein Unterschied zwischen diesen Darreichungsformen. Doch Lippe ist immer nur: ein Mann im auch Hawaiihemd genannten Einmannzelt, der Höschenwitze erzählt und für Kleinkunst schwärmt. Das vermeintliche Witzprinzip ist dabei die Doppelbödigkeit, das Auslassen. Punkt, Punkt, Punkt lesen wir im Bart, den Witze und Erzähler sich teilen. Wenn dann alle alles falsch, nämlich richtig verstehen, die Pointe also wieder ficken, saufen oder Kotze war, dann geht von der Lippe leicht in die Knie und sagt „Herrschaften, also wirklich“. Und dann tobt der Saal. Benjamin v. Stuckrad-Barre
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