Ohne hehres Frauenbanner

■ Zu einer deutschen Premiere traten gestern abend 150 Bremerinnen an: Polizistin und Professorin feierten gemeinsam, daß sie Männerbastionen gestürmt haben

Zu teilweise späten Ehren kamen gestern abend rund 150 Bremerinnen. Die Frauensenatorin hatte sie eingeladen, weil sie sich als „die Erste“ einen Platz in professionellen Männerbastionen erkämpft hatten: die Dachdeckerin, die Airbuspilotin, die Müllwerkerin und die Professorin. Wir sprachen mit der Urheberin dieser Idee, Brigitte Lück, Mitarbeiterin im Büro der Landesfrauenbeauftragten

taz: Wann kam Ihnen die Idee?

Brigitte Lück: Im August, als Bremen seine erste Staatsrätin bekam, entstand die Idee alle die Mädels zusammenzurufen, die die Ersten sind. Ich weiß ja auch aus eigener Erfahrung, daß uns keiner über'n Weg half – und wenn die Frauensenatorin da mal sagt, herzlichen Dank für euren Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung, ist das doch gut.

Was ist Ihnen denn zugestoßen?

Naja, wer wie ich einen Frauenchor gründet, erlebt nur Häme. Es gibt ja immer noch mehr Männer- als Frauenchöre, und wo es Frauenchöre gibt, singen die „Lieschen auf der Heide“ oder so. Daß sich eine Frau selbstbewußt vorne hinstellt und nur Frauen im Chor hat, wird übel genommen.

Ihr Chor heißt „Ein Ton tiefer“. Das klingt programmatisch – als kämen Frauen in der eigenen Stimmlage nicht gut an?

Die ersten Frauen, die in der Renaissance mit Gesang berühmt wurden, sangen alle tief. Frauen singen nicht von Natur aus hoch, dazu werden sie letzten Endes nur gequält. Welcher normale Laienchor kann schon das hohe C in Beethovens Neunter singen? Kaum einer. Deshalb quietscht es auch immer so. Meine persönliche Vermutung ist: Für die männlichen Komponisten war das eine Art orgiastisches Schreien, deshalb haben sie die Frauenstimmen immer so hoch gesetzt.

Wie erging es Ihnen beim Aufspüren der anderen „Ersten“?

Die Resonanz war nur positiv. Ich hatte ja erwartet, daß manche Firmen die Anfrage liegen lassen, weil sie so'n Frauenkrams nicht interessiert. Aber dann war ich überrascht, daß ausgerechnet die Stahlwerke als erste schrieben, daß sie eine Kranführerin und die erste Frau Maschienenschlosserin und so zu bieten hätten. Sogar da, wo ich hinterhertelefonieren mußte, gab man sich Mühe. Bei Mercedes. Und bei Beck, wo die erste Brauerin lernte, dabei haben die bis 1983 nicht mal Industriekauffrauen eingestellt, mit dem Argument, daß die in der Brauerei ein Praktikum machen müßten und das für Frauen zu schmutzig sei. Aber gut, das ist vorbei. Karstadt dagegen konnte mir keine Frau nennen, die eine Männerdomäne erobert hat. Also haben die wahrscheinlich immer noch männliche Abteilungsleiter.

Sie haben viele Angestellte eingeladen, keine Unternehmerinnen, keine Pionierinnen, die eigenständig was aufgebaut haben.

Doch. Eine. Die sitzt inzwischen auch im Plenum der Handelskammer. Ansonsten konnte mir der Verband der Unternehmerinnen kaum weiterhelfen. Auch die Handelskammer tat sich schwer, erste Eintragungen zu finden, ebenso die Handwerkskammer. Aber ich weiß, daß die erste Fleischereimeisterin Bremens 1899 geboren wurde, eine Frau Billenkamp, die offensichtlich zum gleichnamigen bremischen Fleischereigeschlecht gehörte.

Im wesentlichen feiern Sie die Frauen, die einen Weg eingeschlagen haben, den Männer schon seit langem gehen.

Ja. Und auch im Handwerksbereich sind es überwiegend Angestellte. Aber Frauen können sich ja erst selbständig machen, wenn sie den Meister und auch noch das nötige Kleingeld haben. Ich meine aber, egal ob Arbeiterin oder Selbständige, Pionierin kann man in jedem Beschäftigungsverhältnis sein. Es ist doch erschreckend, daß wir die ersten Müllwerkerinnen erst 1996 bekamen. Dabei ist es doch wesentlich besser, für ordentliches Geld die Straßen zu fegen, als irgendwo privat putzen zu gehen.

Wie haben die Frauen auf die Einladung reagiert?

Hocherfreut. Und zwar, weil sich damals viele von ihnen ganz allein auf den Weg gemacht haben. Die trugen nicht das hehre Banner der Frauenbewegung in der Hand. Aber spätestens nach den ersten Schritten haben sie die Widerstände gespürt. Daran werden sich erinnert haben.

Ist es nicht auch eine Chance, Erste zu sein – weil der Weg noch nicht ganz so ausgetreten ist?

Das ist ein schwieriges Feld. Sie kennen vielleicht das Lied von Kunze, „Ich gehe meine Wege“, da formuliert er ja, „ein Ende ist nicht abzusehen. Eigene Wege sind schwer zu beschreiten. Sie entstehen erst beim Gehen.“ Es hängt wohl immer sehr viel davon ab, wie mutig eine Frau ist – und wieviel Unterstützung sie bekommt.

Fragen: Eva Rhode