Bauchlandung für die Air-France-PilotInnen

Mit einem halbherzigen Kompromiß ist der Streik bei Air France gestern nach zehn Tagen zu Ende gegangen  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Am zehnten Tag ihres Streiks machten die französischen PilotInnen gestern eine Bauchlandung: In den frühen Morgenstunden unterschrieb die größte ihrer Gewerkschaften, die SNPL, ein Abkommen mit Air France, das in wesentlichen Punkten die Ziele der Unternehmensführung akzeptiert. Die mit überdimensionierten Fußballern bemalten Maschinen des „offiziellen Transporteurs der WM“ können wieder abheben.

Die Streikenden haben durchgesetzt, daß die zweite, niedrigere Tarifgruppe für junge PilotInnen abgeschafft wird. Aber die von Air France geplanten Gehaltssenkungen konnten sie nicht verhindern, sondern nur auf eine „freiwillige Basis“ hieven. Außerdem stimmten sie dem „Einfrieren“ der Löhne für die kommenden sieben Jahre zu.

Das gestern unterzeichnete Abkommen macht möglich, daß Air France wie geplant die Lohnsumme für PilotInnen von gegenwärtig 3,5 Milliarden Franc (rund 1,1 Milliarden Mark) um 500 Millionen Franc senkt. Als Gegenleistung für die Gehaltssenkungen sollen PilotInnen, die diesen Tausch akzeptieren, Aktien des Unternehmens bekommen. Die Air-France-Direktion will noch in diesem Jahr mit 20 Prozent des Kapitals an die Börse gehen und die Lohnsumme senken, um ihre Aktien attraktiver zu machen.

Die Überraschung bei den PilotInnen war gestern vormittag groß, als das nächtliche Abkommen zwischen Air-France-Chef Jean-Cyril Spinetta und dem Chef der SNPL, Jean-Charles Corbet, bekannt wurde. Noch wenige Stunden zuvor hatte ein Sprecher ihrer Gewerkschaft sie in dem Glauben gelassen, daß noch kein Akommen unterzeichnet sei. Aus der Unternehmensleitung verlautete, daß der Streik pro Tag rund 100 Millionen Franc gekostet habe, insgesamt also eine knappe Milliarde (300 Millionen Mark).

Den Ausschlag für die harte Linie der Unternehmensführung hat nach Einschätzung vieler GewerkschafterInnen die Position des sozialistischen Premierministers Lionel Jospin gegeben. Der hatte dem Air-France-Chef bei einer einstündigen Audienz am Wochenende den Rücken gestärkt. „Geben Sie in nichts nach“, soll dabei Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn dem Air-France-Chef geraten haben, berichtete gestern die französische Wochenzeitung Canard Enchainé.

Der kommunistische Verkehrsminister Jean-Claude Gayssot hingegen, der vielfach öffentlich Verständnis für die Streikenden gezeigt und ausdrücklich erklärt hatte: „Ich werde nicht der Minister der Lohnsenkungen sein“, wurde von Jospin zur Ordnung gerufen.

Die Brüsseler EU-Kommission ihrerseits hat dem sozialistischen Premierminister Jospin den Rücken gestärkt. Einer neuerlichen Kapitalaufstockung von Air France aus dem Staatssäckel hätte Brüssel nicht zugestimmt.

Die OrganisatorInnen der Fußball-WM reagierten gestern erleichtert auf das Streikende wenige Stunden vor dem Anpfiff des ersten Fußballspektakels. Staatsmännisch begründete einer ihrer Sprecher, daß der Streik nicht nur WM-Beteiligte am Anflug gehindert habe, sondern dem „Image Frankreichs insgesamt“ geschadet hätte, wenn er weitergegangen wäre.