CDU läuft in Brüssel auf schwarzbraunen Socken

■ Die christdemokratische Fraktion im Europaparlament verstärkt sich mit zwanzig Abgeordneten aus der Fraktion der Berlusconi-Partei Forza Italia. Die galt bislang als tabu

Brüssel (taz) – Für eine Handvoll Ecu hat die bisher christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament 20 Abgeordnete der Forza Italia des italienischen Medienunternehmers Silvio Berlusconi mit ins Boot genommen.

Mit großer Mehrheit wurden die konservativen Abgeordneten aus Italien und aus den Benelux- Ländern überstimmt, die sich heftig wehrten und zeitweise sogar mit einem Austritt aus der Fraktion drohten.

Der CDU-Politiker und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans-Gert Pöttering dagegen lobte die Entscheidung als „Stärkung der politischen Mitte im Europaparlament“. Die deutschen CDU-Abgeordneten drängten seit langem, die Vorbehalte gegen die italienischen Schmuddelpolitiker fallenzulassen, um das Gewicht der konservativen Fraktion zu erhöhen. Denn die Zahl der Fraktionsmitglieder entscheidet über Geld und einflußreiche Posten in den Parlamentsausschüssen und Verwaltungsgremien. Mit 200 Abgeordneten liegt die konservative EVP-Fraktion nur noch 13 Stimmen hinter den Sozialdemokraten. Silvio Berlusconis Forza Italia war 1994, auf dem kurzen Höhepunkt ihrer Macht in Italien, mit 24 Abgeordneten ins Europaparlament gewählt worden. Weil die Partei in Rom mit den Neofaschisten koalierte und sich ihr Chef Berlusconi, als skrupelloser Medienhai bekannt, auch noch wegen Bilanzfälschung und anderer Unfeinheiten vor Gericht verantworten muß, galt die Forza lange Zeit als unberührbar.

Noch dazu ist die Forza Italia, die sich in Brüssel und Straßburg Forza-Europa nennt, vor allem durch antieuropäische Töne aufgefallen, die mit der bisherigen Politik der Christdemokraten nicht so recht zusammenpassen.

Doch die Schamfrist ist offenbar vorbei. Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich, erzählen CDUAbgeordnete, habe grünes Licht für die umstrittene Liaison gegeben. In einem wenig eleganten Eiertanz versuchte der EVP-Fraktionschef Wilfried Martens vor der Presse die Bedeutung herunterzuspielen. Man habe nicht die Forza aufgenommen, sagte er, sondern nur einzelne Abgeordnete. Außerdem hätten sie das Programm der Christdemokraten unterschrieben, sich also der bisherigen Fraktionslinie untergeordnet.

Warum dann die Widerstände seiner belgischen Parteifreunde so vehement gewesen waren, konnte er auch nicht erklären. Die belgischen Christdemokraten hatten noch am Wochenende jede Annäherung an die Forza kategorisch verurteilt.

Sozialdemokraten wie Grüne sehen in dem Zusammenschluß ein deutliches Zeichen für einen Rechtsruck der Christdemokraten. Schon in den vergangenen Wochen hätte sich die EVP-Fraktion zunehmend dem neoliberalen und euroskeptischen Kurs der Berlusconi-Partei angenähert, stellten die Fraktionschefinnen Pauline Green und Claudia Roth übereinstimmend fest.

Mit 201 Abgeordneten liegt die Europäische Volkspartei (EVP) jetzt nur noch 13 Stimmen hinter den Sozialdemokraten, die im Europaparlament nach wie vor die stärkste Fraktion sind. Das Werben geht deshalb weiter und konzentriert sich jetzt auf die 17 französischen Gaullisten und die sieben stockkatholischen „Soldaten des Schicksals“ aus Irland. In beiden Gruppen gibt es inzwischen eine Reihe von Abgeordneten, die sich gerne von der CDU ziehen lassen und noch lieber hinsinken würden. Doch noch haben die Standhaften die Oberhand, die auf ihre Unabhängigkeit Wert legen und multikulturellen Zusammenschlüssen wie der EVP mißtrauen.

Ihr Widerstand dürfte allerdings an Kraft verlieren, seit sich ihre Parlamentsfraktion „Union für Europa“ durch den Auszug der Berlusconi-Leute fast halbiert und damit ihren Einfluß eingebüßt hat. Alois Berger