Paul Virilio

Die Philosophie war schon immer eine Wissenschaft, in der sich die Disziplinen vermischen. Bei Paul Virilio geht das Denken quer durch die Geisteswelten des 20. Jahrhunderts, von Technik- und Kriegsgeschichte bis hin zur Urbanistik, Ästhetik oder Metaphysik. Aus diesem Theorie-Cross-over hat der 1932 geborene Franzose Virilio bereits Anfang der achtziger Jahre die Wissenschaft der Dromologie begründet. Der Begriff geht auf das griechische dromos (Laufen, Wettrennen) zurück. Seiner Vorstellung nach sind die Veränderungen, mit denen es die Menschheit in den letzten hundert Jahren zu tun gehabt hat, auf diesen unerhört schlichten Vorgang der Beschleunigung zurückzuführen. In einer Gesellschaft, die sich auf Medien und Kommunikation stützt, ist allein Geschwindigkeit der Garant für Erfahrungen: „Von nun an kommt alles, ohne daß man gehen muß. Auf die spezielle Ankunft dynamischer, mobiler, dann automobiler Vehikel folgt jäh die allgemeine der Bilder und Töne in den statischen Vehikeln des Audiovisuellen“, schrieb er 1989 in einem Essay in der taz. Aus dem Vergleich der unterschiedlichen Beschleunigungsfelder zog Virilio politische Konsequenzen: Im Golfkrieg attestierte er einen Verlust gesellschaftlicher Verantwortung angesichts der permanenten Bildproduktion auf CNN. Zuletzt erklärte er den „Cyberkult“ des Internet als Zerrbild einer demokratisierten Weltgesellschaft, mit deren Virtualität ein Verlust an realen Einflußmöglichkeiten einhergehe. Paul Virilio ist Professor an der École speciale d'architecture in Paris. hf