EU serviert wieder britisches Beef

■ Nach 170.000 BSE-Fällen in Großbritannien: Europäische Kommission hält Rindfleisch von der Insel für sicher und will das Exportverbot nahezu vollständig aufheben. Kritiker sehen darin ein Geschenk an Tony Blair

Brüssel/Berlin (taz) – Nach langem Drängen der britischen Regierung hat die EU-Kommission gestern eine teilweise Aufhebung des Exportverbots für britisches Rindfleisch vorgeschlagen. Danach soll Fleisch von Tieren, die nach dem 1. August 1996 geboren sind, unter bestimmten Voraussetzungen wieder auf dem Kontinent verkauft werden dürfen. EU-Agrarkommissar Franz Fischler betonte, daß der Vorschlag sich auf die Empfehlungen der Ausschüsse stütze.

Aus seiner Umgebung war zu hören, daß es noch bis Ende des Jahres dauern könne. Nur wenn der ständige Veterinärausschuß, in dem Vertreter der 15 EU-Regierungen sitzen, dem Vorschlag am Freitag zustimmen werden, könne es schneller gehen. Dies allerdings ist nicht zu erwarten, weil die Sorge der Mitgliedsländer, der Fleischabsatz könne erneut einbrechen, mindestens genauso groß ist wie der Druck der britischen Regierung.

Nach der zu erwartenden Ablehnung im Veterinärausschuß geht die Entscheidung an die Agrarminister. Sie können den Kommissionsvorschlag nur einstimmig ablehnen, was wegen der britischen Stimme wenig wahrscheinlich ist. Haben sich die Agrarminister nicht geeinigt, darf die EU-Kommission alleine entscheiden – und ihren heutigen Beschluß endgültig umsetzen.

Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis britisches Fleisch wieder offiziell in die Supermärkte des Kontinents gelangt. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände sieht darin ein Zugeständnis an die britische Regierung, die derzeit die EU- Präsidentschaft habe und zu Hause Erfolge vorzeigen müsse. Für eine Aufhebung des Embargos gebe es keinen Anlaß, da noch immer BSE-Fälle aufträten. Allein von Januar bis Mai dieses Jahres wurden 1.982 neue BSE-Fälle in Großbritannien festgestellt, mehr als dreizehn Fälle pro Tag. Offiziell wurden seit 1991 insgesamt 170.000 Infektionen britischer Rinder registriert.

„Der Vorstoß der EU-Kommission kommt entschieden zu früh“, klagt daher Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vizepräsident des Agrarausschusses vom Europaparlament. „Die Briten machen das zur Prestigefrage – auf Kosten der Verbraucher.“ Zwar gesteht auch Baringdorf ein, daß die neue britische Regierung unter Tony Blair einen Kurswechsel gegenüber der konservativen Regierung bei der Bekämpfung des Rinderwahns vollzogen habe: „In der Rausnahme der Risikomaterialien aus den Tieren sind sie sehr konsequent.“ Doch anders als in Nordirland, wo die EU jüngst den Export wieder genehmigte, „ist die Identifizierung englischer Rinder nicht fälschungssicher“, so Baringdorf. Seines Erachtens sollte die EU-Kommission mit der Aufhebung des Embargos warten, bis ein Soforttest für BSE am Schlachthof existiere. So ein Test wurde gerade in der Schweiz erfolgreich geprobt. Alois Berger, Matthias Urbach

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