Allerlei Geräuschquellen

■ Das Larifari-Orchester begleitet Stummfilme im Metropolis

Heiner Roß war in den Keller gestiegen, und als er wieder heraufkam, hatte der Metropolis-Chef den ganzen Arm voller seltener Stummfilme aus den 20er Jahren. „The Art Of Silence“ – unter diesem Titel wird das Metropolis-Kino am 21. und 22. Juli sechs frühe Experimentalfilme zeigen: unter anderem Entr'acte (1924) von René Clair, Emak Bakia (1927) von Man Ray, Manhatta (1921) von Paul Strand, Vormittagsspuk (1923) von Hans Richter.

Nun hat aber ein enggepacktes Publikum, das im Dunkeln und im Lärm seiner vegetativen Körperfunktionen auf die tonlos flimmernde Leinwand starrt, immer etwas Anrüchiges oder Peinliches. Es kann auch die Atmosphäre der trostlosen Abgeschiedenheit, der Alp der Isolation, über die Versammlung kommen. Die Mehrzahl der erwählten Filme bildeten ursprünglich eine Einheit mit eigens komponierter Musik. Das Instrumental-Quintett Larifari wird deshalb in beiden Sondervorführungen für angemessene musikalische Gestaltung sorgen. Die Mitglieder des Black Rider Orchesters und der Hamburger Komponist Hans-Jörn Brandenburg, greifen dabei – soweit vorhanden – auf die Original-Partituren zurück.

Doch Eric Saties Musik zu Entr'acte war auf eine frühere Version komponiert und mußte neu eingerichtet werden, Hindemiths Vormittagsspuk ist gar verschollen. Mit dem klassischen Jazz-Instrumentarium und allerlei zusätzlichen Geräuschquellen entwickelt das Ensemble eine Filmmusik, die René Clairs symbolistischem Film oft lautmalerisch und humorvoll folgt – da fliegen die Melonen zur singenden Säge, das Porzellan zerbirst im Beckentusch.

Auch bei Man Rays surrealistischem Werk hält sich Larifari nahe an die visuelle Vorlage. Fluß und Bewegung sind das Sujet von Emak Bakia – Wasserreflexionen, pulsierende Formen, Lichtspiele, rasante Wagenfahrten, gleitende Leuchtreklamen im nächtlichen Paris. Die nimmermüde Nummern-Musik führt den Betrachter mit ebenso fließenden und lichten Tongeweben mühelos durch die magische Bilderwelt.

Mit viel Zartgefühl hat das gute Ensemble mit dem blöden Namen unaufdringliche Vertonungen geschaffen. Roß' Hoffnung, aus der Not eine Tugend machen zu können und mit einer zeitgemäßen Musik den alten Filmen zu einer „adäquaten Rezeption“ zu verhelfen, wird sich erfüllen. Zu der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Larifari und dem Metropolis-Kino kam es, als das Ensemble Tod Brownings 1926 gedrehten Stummfilm Der Rabe von London, ebenfalls eine Kopie aus dem Metropolis-Archiv, für den NDR vertonte. Das Ergebnis wird übrigens am 15. August im Thalia- Theater gezeigt. Hilmar Schulz

Fr, 21. 7. + Sa, 22. 7. Metropolis