: Ein neues Revier für Robenträger
■ Innenbehörde möchte Richter in Polizeiwache arbeiten lassen/Justizbehörde nicht
Einen möglichen Einsatz von Präsenzrichtern auf dem Polizeirevier 11 in St. Georg hält Volker Öhlrich für „nicht sinnvoll“. Der stellvertretende Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins, der größten Standesorganisation in der Hansestadt, plädiert für „eine deutliche Trennung“ von Exekutive und Judikative: „Der Arbeitsplatz von Richtern ist das Gericht und nicht die Polizeiwache.“
Das sieht man in der Innenbehörde anders, die für eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft an der Kirchenallee eintritt. Zwar hatten sich Innen- und Justizbehörde kürzlich auf eine Ausweitung des richterlichen Eildienstes geeinigt, weshalb die Dauerpräsenz „nicht mehr erforderlich“ sei, so Justizsprecherin Sabine Westphalen. Dennoch hält man im Hause von Innensenator Hartmut Wrocklage (SPD) an den ursprünglichen Vorstellungen fest. „Die permanente Präsenz eines Richters wäre uns eigentlich lieber“, erklärte Behördensprecher Peter Mihm.
Auslöser des Streits, den die Beteiligten gerne schon als beigelegt sehen würden, ist das neue Handlungskonzept für die Polizei in St. Georg. Diesem zufolge wird die Drogenszene verstärkt kontrolliert, Personen häufiger in Gewahrsam genommen (vorübergehende Freiheitsentziehung im Gegensatz zur Verhaftung), um mögliche Straftaten zu verhindern. Für die Beamten sei dies oft „eine rechtliche Unsicherheit“, schrieb die Gewerkschaft der Polizei an Wrocklage, „ihnen hafte der Ruch der Illegalität an“. Nach dem Gesetz zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) müssen Aufgegriffene, wie z.B. Dealer, nach Ingewahrsamnahme „unverzüglich“ einem Richter vorgeführt werden. Steht kein Richter zur Verfügung, müssen die Beamten alleine entscheiden und die Betroffenen nach maximal 24 Stunden entlassen.
Mit der notwendigen Vorführung hatte die Polizei in der Vergangenheit Schwierigkeiten, stand der Eildienst des Amtsgerichts Hamburg bislang nur eingeschränkt zur Verfügung. Das wird sich ab 1. August ändern. Dann werden neben wochentags von 9 bis 13 Uhr auch am Wochenende und an Feiertagen Zivilrichter von 9 bis 16 Uhr bereitstehen, um über die Rechtmäßigkeit von Ingewahrsamnahmen entscheiden zu können (bei Verhaftungen ist dies schon seit längerem der Fall). Damit „unterstütze die Justiz das neue Handlungskonzept der Polizei“.
Der Innenbehörde wäre die Präsenzlösung trotzdem lieber. Aber noch sucht sie nicht die Konfrontation, selbst wenn sich weiterhin „die Kriminalität nicht nach den Dienstplänen der Richter richtet“, wie Wrocklage seit langem spöttelt. Clemens Gerlach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen