Kohl und Prodi im Clinch

Zankapfel ist die Aufnahme der Forza Italia in die Fraktion der Europäischen Volkspartei. Kohl will Rache wegen Schröders Besuch bei Italiens Regierungschef  ■ Aus Rom Werner Raith

Der Anruf kam „überraschend“, war an sich „sehr herzlich und freundschaftlich“ – nur, gebracht hat er am Ende gar nichts. Helmut Kohl wollte seinem bis vor kurzem noch hochgelobten italienischen Kollegen Romano Prodi etwas erklären. Der Bonner Regierungschef beabsichtigte, die Gründe darzulegen, warum 20 Abgeordnete der Forza Italia des vor zwei Jahren schmählich als Regierungschef gescheiterten, bei der Wahl gegen Prodi unterlegenen Mailänder Medienmoguls Silvio Berlusconi doch ruhig in die Straßburger Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) aufgenommen werden könnten.

Prodi zeigte jedoch dafür keinerlei Verständnis. „Es ist absurd“, schäumte er schon, als er von dem Votum und dem Einsatz Kohls für Belusconi hörte, „daß innerhalb derselben gesamteuropäischen Gruppierung gleichzeitig die Regierungspartei und die Opposition sitzen.“ Tatsächlich hat die italienische Volkspartei, zu deren Sympathisanten auch der parteilose Prodi zählt, seit jeher angestammte Rechte in der EVP-Fraktion. Sie sehen sich als die einzig legitimen Nachfolger der vor vier Jahren aufgelösten Democrazia Cristiana, deren linken Flügel sie vordem gebildet hatten.

Kohl merkt wohl erst jetzt, was er angestellt hat. Eigentlich beabsichtigte er mit der Kurzsichtigkeit eines Wahlkämpfers, Prodi nur einen Denkzettel zu verpassen: Dieser hatte sich erdreistet, SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder bei dessen letzten Rom-Besuch zu empfangen. Auch vermied er es nicht, sich mit dem Niedersachsen händeschüttelnd und mit aufmunterndem Lächeln fotografieren zu lassen. Und wer weiß, wie Kohls Wadenbeißer jedes pressewirksame Foto des Herausforderers mit internationalen Sympathieträgern zu verhindern suchen (zuletzt beim Besuch Jelzins in Bonn), kann sich vorstellen, wie wutentbrannt der deutsche Kanzler auf das Techtelmechtel Prodis mit Schröder reagiert haben muß.

Nun hat Prodi seinen Auftritt beim morgen anstehenden Treffen der Europäischen Volkspartei in Cardiff, zu dem Berlusconi (noch) nicht eingeladen wurde, schroff abgesagt und das Ende der Zusammenarbeit mit der EVP angedroht. Nach dem Telefonat mit Kohl blieb er bei seiner Ansicht: „Entweder Berlusconi oder ich.“

Kohl gerät inzwischen nicht nur wegen des Ärgers, den er bei der Italienischen Volkspartei ausgelöst hat, in Bedrängnis. Offenbar verdrängt er auch die Erkenntnisse über diejenigen, die er sich da in die EVP-Fraktion holt. Fünfeinhalb Jahre Gefängnis für den Chef der Forza Italia hat der Staatsanwalt im jüngsten Prozeß gegen Silvio Berlusconi gefordert. In einem anderen Verfahren hat der Medienmogul bereits eine ansehnliche Strafe aufgebrummt bekommen. Noch laufen weitere vier Verfahren wegen Bestechung und Bilanzfälschungen gegen ihn. Nicht zuletzt gilt die Forza Italia als europafeindlich.