Japan steckt in der Rezession

Das Wirtschaftswachstum ist im zweiten Quartal in Folge gesunken, und der Fall des Yen setzte sich gestern fort. Das Konjunkturprogramm der Regierung greift nicht  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – Bis zuletzt hatte sich die japanische Regierung noch an den Strohhalm geklammert, daß die Rezession vielleicht doch noch vermeidbar sei. Doch nachdem die Wirtschaftsplanungsbehörde (EPA) gestern auch die aktuellen Daten für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vorgelegt hat, ist es jetzt verbrieft: Im ersten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaftsleistung um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurückgegangen – das ist der zweite Rückgang in Folge, nachdem bereits das vierte Quartal 1997 ein Minus von 0,4 Prozent aufgewiesen hatte. Nach international üblicher Definition befindet sich eine Volkswirtschaft in der Rezession, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Vierteln abnimmt.

Auch für das Fiskaljahr 1997/98, das bis zum 31. März 1998 dauerte, ergibt sich nach den EAP-Daten insgesamt ein Rückgang des BIP um 0,7 Prozent. Das ist das erste Minuswachstum seit 23 Jahren. Damals war die Wirtschaft um 0,5 Prozent geschrumpft.

Die japanische Regierung hatte im April versucht, die Wirtschaft durch ein umgerechnet 200 Milliarden Mark schweres Konjunkturprogramm anzukurbeln. Damit sollte die Binnennachfrage endlich wieder in die Höhe getrieben und die Wirtschaft stabilisiert werden. Geteilt worden war die Hoffnung auf schnellen Erfolg allerdings von kaum jemandem. Die Opposition stellte sogar ein Mißtrauensvotum, mit dem sie sich bei der gestrigen Abstimmung allerdings nicht durchsetzen konnte.

Der rapide Kursverfall des Yen in den vergangenen Tagen, der gestern mit einer Notierung von 144,20 gegenüber dem US-Dollar den schlechtesten Stand seit August 1990 erreichte, und der um die psychologische Schwelle von 15.000 schwankende Nikkei-Index, haben inzwischen wohl auch die letzten Anhänger der Regierungspolitik bekehrt. Das Vertrauen der Märkte auf Japan ist stark angeschlagen.

Trotzdem erklärte EAP-Chef Koji Omi, Tokio habe „alles zur Wiederbelebung der Wirtschaft getan“ und werde das auch weiter so handhaben. Die Zentralbank allerdings, die im April dieses Jahres bei einem vergeblichen Stützungsversuch des Yen 36 Milliarden Mark verloren hatte, hält sich seitdem zurück, obwohl vor allem die chinesische Notenbank mehrfach zu Interventionen aufgerufen hatte.

Anders als die Regierung, die für das vergangene Fiskaljahr noch ein Wachstum von 0,1 Prozent erwartet hatte, fühlten sich viele Analysten bestätigt. Erst kürzlich hatte beispielsweise Kenneth Courtis, Chefökonom für die Region Asien bei der Deutschen Bank betont, die Wachstumsschwäche werde so lange anhalten, „bis Japan so tief in der Tinte steckt, daß es seine Politik gründlich ändert“. Als überraschend beurteilten manche lediglich die Massivität des Leistungseinbruchs. „Das Verkaufe-Japan-Lager wird sich freuen“, sagte Pelham Smithers, Volkswirt bei Ing Brings.

An den anderen asiatischen Börsen, die der Sturz des Yen in dieser Woche immer wieder mit sich gerissen hatte, blieb es auch nach der Bekanntgabe der japanischen Statistik vergleichsweise ruhig. Nur in Seoul rutschte der Aktienindex Kopsi um mehr als acht Prozent oder 26,61 Punkte nach unten und landete bei 310,18 Punkten. Das ist der niedrigste Wert seit elf Jahren. Dagegen konnten sich Hongkong und Singapur leicht verbessern, Kuala Lumpur und Bangkok verloren rund zwei Prozent. Auch die Währungen bewegten sich nur leicht, sie fielen geringfügig gegenüber dem Dollar, die indonesische Rupiah konnte sich sogar leicht auf 13.800 verbessern.

Mit Interventionen von außen kann Japan nicht rechnen. Das bestätigte US-Finanzminister Robert Rubin noch einmal. Anfang der Woche hatten die Finanzminister der G-7-Staaten erklärt, das Problem der Yen-Schwäche könne nur von Japan gelöst werden. Sie werfen der Regierung vor, die Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz abzuschotten und die Binnennachfrage zu vernachlässigen.