Bürokratisch korrekt

■ Jahresbericht des Verfassungsschutzes ohne Angaben über antisemitische Straftaten

Im Jahresbericht 1997 des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) kommen antisemitische Straftaten nicht vor. Nicht, daß es diese Straftaten in Berlin nicht gegeben hätte im Jahr 1997. Im Gegenteil, es sind sogar mehr geworden. Doch das LfV hat diese nicht separat aufgeführt – anders als in den Jahren zuvor.

In einem Brief an Innensenator Jörg Schönbohm (CDU), der der taz vorliegt, moniert jetzt die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Renate Künast, diese Veränderung: „Leider bin ich mir sicher, daß 1997 zahlreiche Straftaten mit antisemitischem Hintergrund begangen wurden. Diese im Jahresbericht nicht zu erwähnen, setzt das völlig falsche politische Signal. Denn daraus könnte geschlossen werden, daß der Sicherheit von Personen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung keine große Beachtung geschenkt wird.“ Künast fordert den Innensenator auf, die Sache klarzustellen und „diesen groben und gefährlichen Fehler zu beheben“.

Die Innenverwaltung wollte gestern dazu keine Stellung nehmen. Doch im Landesamt für Verfassungsschutz hat man den Fauxpas inzwischen gemerkt und schon gehandelt. Seit dem 2. Juni verteilt das LfV ein Einlegeblatt als Ergänzung zum Jahresbericht. Darauf: Antisemitische Straf-/Gewalttaten in Berlin und Bund 1997. „Wir sehen das als einen zusätzlichen Service an“, sagte gestern ein Sprecher der LfV, „die antisemitischen Straftaten auf einem Einlegeblatt auszuweisen.“ Bei Drucklegung seien die Vergleichszahlen des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz noch nicht verfügbar gewesen, deshalb habe man erst nachträglich vergleichende Zahlen präsentieren können. Für Berlin ergibt sich aus den Zahlen ein Anstieg der antisemitischen Straftaten von 84 (1996) auf 96 (1997). Bundesweit sind antisemitische Strafaten aber gar nicht ausgewiesen. Hier liegen nur die Angaben zu Gewalttaten vor, die in beiden Jahren 11 betrug.

Die Vergleichszahlen waren denn auch der Grund für den Fauxpas. Da die Bundesländer in ihren Jahresberichten angehalten sind, nur Zahlen im Bundesvergleich zu präsentieren, hat man in Berlin bürokratisch korrekt auf die Angaben zu antisemitischen Straftaten verzichtet. Barbara Junge