Goethe und Schiller reicht nicht mehr

■ Versteht Medienprofi Schröder etwas von Medienpolitik?

Kennen Sie eigentlich die Geschichte von dem deutschen Jungunternehmer, der in Kalifornien groß raus-, hierzulande aber nicht am Pförtner der Bank vorbeikommt? Wissen Sie eigentlich, wie viele Unternehmensgründungen aus der US-Eliteschmiede MIT hervorgegangen sind? Das ist zwar zu erwarten, aber für alle, die bei den Herren Rüttgers und Herzog und Henkel und Clement immer nicht richtig aufpassen, hat es Gerhard Schröder gestern wiederholt: „Wagniskapital!“, „Elite!“, „Leistung!“, „Ruck durch Deutschland!“ (Ja, auch das).

Der Mann, der gerne Kanzler werden will, hatte sich fürs Kölner Medienforum eine Rede aufschreiben lassen, über die Chancen von Europas Kommunikationsindustrie – so heißen die Medien jetzt – in der großen, globalisierten Welt. „Geh da mal hin, Gerhard, das ist wichtig“, hatte vermutlich Wolfgang Clement, der Patron des Kölner Branchentreffs, dem niedersächsischen Amtsbruder geraten – Clement, der im übrigen die Geschichte von dem Bankpförtner schon zwei Tage vorher aufgelegt hatte. Medien gehört heute eben auch dazu, wenn man über „mentale Innovation“ (Schröder) redet. So kam es wohl, daß sich nun auch der Kanzlerkandidat um Medienpolitik kümmert, der bislang diesbezüglich ein ziemlich unbeschriebenes Blatt war. Daran hat sich seit gestern wenig geändert: Medienpolitik bleibt für ihn eine Unterabteilung der Wirtschaftspolitik, wie er deutlich machte. Was der Kanzlerkandidat da will, ist schnell erzählt: Wagniskapital für junge Unternehmer, dazu (EU-)Geld und Unterstützung für „paneuropäische Major-Companies“. Große Medienkonzerne statt der kleinen Klitschen in Film-/ TV-Produktion und -Verleih sollen den US-Konzernen Konkurrenz machen. Solange es noch um reine Wirtschaftsförderung geht, spult Schröder routinierte Sätze ab. Kommt er aber auf Medienentwicklungen zu sprechen, gerät der im Umgang mit Journalisten so erfahrene Mann ins Haspeln.

Anders als in Clements Reden geht es bei Schröder dann übrigens nicht nur um Wirtschaftspolitik. Doch, Medien sind für ihn auch Kultur, solange sich der „Wettbewerb der Kulturen“ im globalen Wettbewerb ökonomisch ausschlachten läßt. Mehr europäische Produktionen will er, der Weg dazu: Eine europäisch-nationale Kulturpolitik „wie das, was Jack Lang in Frankreich gemacht hat“. „Goethe und Schiller reicht nicht mehr“, sagt Schröder, will „große Staffeln von Filmen herstellen“ und international verkaufen. Da kann er sogar noch einmal die ganz alten Juso-Parolen hervorholen. Und warnen vor der „US-amerikanisch gesteuerten kulturellen Hegemonie“. Lutz Meier