In der Ökonomie gibt es keine Wunder

■ Bremens Grüne Bundestagsabgeordnete Beck nach einem US-Besuch: Das Jobwunder gibt es nicht / Gebraucht werden berufliche Qualifikation und bessere Chancen für Unternehmensgründer

Die Grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck kehrte diese Woche von einem US-Besuch zurück, zu der der Marshall-Funds ausgewählte BundespolitikerInnen zum Austausch über arbeitsmarktpolitische Fragen und das „Jobwunder“ eingeladen hatte.

taz: Frau Beck, sprechen Sie jetzt noch von „Jobwunder“?

Marieluise Beck: Nein, es gibt in der Ökonomie keine Wunder. Erstaunlich ist aber, daß auch seriöse Ökonomen die Ursache der amerikanischen Entwicklung nicht genau kennen, sondern nur einzelne Faktoren nennen – wie die Geldpolitik, wo die USA größere Spielräume als Europa haben, das wegen des Euro eine restriktive Geldpolitik betreibt. Auch gibt es in den USA eine sehr erfolgreiche Technologiepolitik, die vor allem im Zusammenwirken von Universitäten und Unternehmensgründungen entsteht.

Weil die Amis weniger Angst vor Risikotechnologien haben als beispielsweise die Deutschen?

Sicher ist die Handhabung von Gentechnologie eine andere. Weil wir die Risiken anders bewerten, sind wir vorsichtig. Ich meine aber immer noch, daß nicht jede Forschung betrieben werden soll, zumal sich, wie bei der Atomtechnologie, die Folgen ja erst später zeigen.

Unternehmensgründungen sind ja aber nicht gar nicht so einfach zu bewerkstelligen.

Entscheidend ist, daß in den USA sehr viel bessere Verhältnisse, zum Beispiel beim Bereich Risikokapital bestehen, was Unternehmensgründungen sehr erleichtert hat.

Wie sieht das aus?

Banken sind dort nicht so ängstlich, in die Risikokapitalfinanzierung einzusteigen. Wir haben beispielsweise gelernt, daß der „Bund für Selbständige“ Listen darüber veröffentlicht, in welchem Umfang lokale Banken in solche Finanzierungen bereit sind einzusteigen – oder wo sie sich dieser gesellschaftlichen Aufgabe entziehen. Es wäre doch spannend, wenn öffentlich würde, was die Sparkasse Bremen in diesem Bereich so treibt.

Laxe Kreditvergabe kann aber doch für Jungunternehmer ziemlich riskant werden.

Ja, bei uns ist das Risiko, wenn man scheitert, extrem hoch. In den USA gibt es offensichtlich ein anderes Konkurs-Insolvenz-Recht. Wer sich dort auf eigene Füße stellt, muß nicht gleich beim ersten Versuch erfolgreich sein, sondern kann auch zu einer zweiten oder dritten Unternehmensgründung antreten.

Zum Mangel an Geld kommt oft auch ein Mangel an Ideen – oder hemmende Strukturprobleme. Was könnte Bremen von den USA lernen?

In jedem Fall muß die Zusammenarbeit von Uni und regionaler Wirtschaftsent-wicklung stärker gefördert werden. Alte Strukturen dürfen nicht weiter subventio-niert werden, sonst ist das Geld weg, wie wir bei den Werften gesehen haben. Die digitale Revolution beispielsweise entsteht im Zusammenwirken von universitärer Forschung und Wirtschaft. Zudem will man, daß Professoren Forschung machen und Geld verdienen – was bei uns ja nicht political correct wäre. Allerdings gibt es in den USA z.B. Arbeitsverhältnisse, bei denen uns nur die Ohren schlackern. Einsatz sieben Tage rund um die Uhr und sehr niedrige Löhne, die auch deshalb akzeptiert werden, weil Sozialhilfe nicht länger als zwei Jahre hintereinander und fünf Jahre während eines Lebens gezahlt wird. Da wird eine Bombe platzen, wenn die Streichungen durchschlagen und dies möglicherweise mit einer Rezession zusammenfällt.

Also schaut die Grüne Arbeitsmarktpolitikerin Beck für neue Impulse doch lieber nach Europa?

Wir können die amerikanischen Verhältnisse nicht übertragen. Wir müssen auf jeden Fall an unserem Ziel von sozialem Zusammenhalt festhalten – ebenso wie an Qualifizierungspolitik.

Das ist doch aber in den USA nicht aktuell, bei Minimum-Stundenlöhnen um sechs Mark und dem Trend, daß immer mehr Einzelpersonen auf mehreren Stellen arbeiten.

Der dortige Niedriglohnbereich kommt zunehmend verdeckter Arbeitslosigkeit gleich. Wer im vornehmen Lokal beispielsweise Türsteher ist, hat ja mit seiner Arbeit nun wirklich keine Perspektive.

Vor dem Hintergrund eines Wirtschaftsbooms drängt sich Ökologischer Umbau – Schlagwort Ökosteuer für neue Arbeitsplätze – dort doch nicht unbedingt auf. Wie kam diese Grüne Forderung in den USA an?

Das wird selbst bei den Demokraten, die uns oft nahestehen, als sehr heikel betrachtet. In den USA ist es eine Todsünde, über die Verteuerung von Energie zu sprechen. Öl wird zum Billligtarif vorgehalten – egal, was weltweit ökologisch geschieht. Andererseits wird Technologiepolitik durchaus benutzt, um ökologische Standards zu verfolgen. Es gibt dort eben andere Entwürfe.

Fragen: Eva Rhode