Schnörkellose Entwirrung

■ Die McArbeit zeigt „Billigjobs – Für Millionen?“ (23 Uhr, ZDF)

Pfeilschnell radeln behelmte Kurierfahrer in enganliegenden Anzügen durch den Verkehr der Innenstadt. Was für den Außenstehenden wie eine abgedrehte, neue Fun-Sportart aussieht, erweist sich bei näherem Hinsehen als harter Überlebenskampf. Der Frankfurter Kurierfahrer Daniel arbeitet wie der Sandwichverkäufer Edward als (Schein-)Selbständiger. Diese in den USA übliche Form der Beschäftigung erspart den Betrieben die teuren Lohnnebenkosten.

In seiner Reportage „Billigjobs – Für Millionen?“ hat Martin Keßler Zimmermädchen, Kofferträger und Geschirrspüler durch ihren Alltag begleitet. An Einzelbeispielen zeigt Keßler auf, wie in Deutschland der Verdrängungswettbewerb das Lohnniveau unter den Sozialhilfesatz drückt, so daß „eine Erwerbstätigkeit nicht mehr aus der Armut herausführt“. Schätzungsweise sechs Millionen Menschen arbeiten in Deutschland als Scheinselbständige in diesen „McJobs“. In Einzelfällen werden sogar Sicherheitsmänner extra aus Thüringen herangekarrt, um ausgerechnet das Bundeskriminalamt in Wiesbaden zu bewachen: Für sechs Mark die Stunde.

Wer keine Lust auf diese wirtschaftspolitische Leibeigenschaft hat, muß nach Meinung der sauertöpfisch dreinblickenden Personalchefin des Nobelhotels Frankfurter Hof „mehr unter Druck gesetzt werden“.

Mit offener Ironie zeigt Keßler auf, daß die „McJobs“ keine arbeitsmarktpolitische Perspektive sind, da sie oftmals keine sinnvolle Beschäftigung anbieten, sondern überflüssige Dienstleistungen für eine dekadente Elite. Im „Dealing Room“ einer Frankfurter Großbank werden per Mouseclick Millionensummen vertickt. Dabei ruinieren sich gestreßte Broker den Magen mit Junk food, das Edward für 1.200 Mark im Monat durch die Stadt karrt, um es den eifrigen Jungs am PC mundgerecht zu servieren.

„Billigjobs für Millionen“ ist ein Film, der einen Blick nach „ganz unten“ wirft. Etwa auf polnische Arbeiter, die dank eines unentwirrbaren Netzes von Subunternehmern auf der Großbaustelle am Frankfurter Kreuz für 2.000 Mark arbeiten. Sie haben gerade die Portugiesen verdrängt, die „zu teuer“ waren. Angesichts dieser Entwicklung fragt Keßler im Gespräch mit Gewerkschaftern und Betriebsräten nach den Ursachen für die immer billiger werdende Arbeit. Es gibt keine pauschale Erklärung, aber die Reportage stellt auf schnörkellose und geradlinige Weise dar, was Sache ist.

Martin Keßler hat gewiß kein Grimme-Preis-verdächtiges Feature für den geschulten Blick von Fernsehästheten produziert. Doch dafür kommt der ZDF-Film sehr nah an die Leute ran, die hierzulande nichts zu lachen haben. Manfred Riepe