Die Hilfe kommt von oben

■ Hubschrauber werfen Nahrungsmittel über dem afghanischen Erdbebengebiet ab

Faisabad (taz) – Die Toten sind begraben, die Schwerverletzten wurden operiert, und Notrationen für die ersten zehn Tage konnten über den Dörfern des afghanischen Erdbebengebiets abgeworfen werden. Für die Hilfsmannschaften auf dem Flugplatz von Faisabad beginnt nun der Alltag. Die Ernte in dieser kargen Berglandschaft im Norden des Landes wird erst in etwa sechs Wochen eingebracht, und bis dann muß die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgt werden. Dies betrifft vor allem jene 70.000 Menschen, deren Dörfer durch das Beben vom 30. Mai beinahe vollständig zerstört worden sind; dazu gehören auch rund ein Dutzend Orte, die bereits vom Erdbeben im letzten Februar betroffen waren. Diesmal lag das Epizentrum etwas nördlich davon, umfaßte aber ein Gebiet, das sechs Mal so groß und weit weniger gut erschlossen ist.

In Faisabad, der Hauptstadt der Provinz Badakshan, bietet sich daher das seltene Schauspiel, daß alle Hilfsorganisationen ihre Quartiere auf dem Flugfeld außerhalb der Stadt eingerichtet haben. Zwischen zerschossenen Sowjet-Tanks und den Ruinen der Flughafengebäude organisieren sie den Helikopter-Transport von Nahrungsmitteln, Zelten, Seife und Kochgeräten in die zwei regionalen Zentren von Shah Arb und Char-e-Bazurg. Sie sind dabei auf zwei alte MI-8-Hubschrauber von Tajik Air angewiesen.

Am letzten Montag schwebte dann, zur großen Erleichterung des Hilfspersonals, endlich ein russischer MI-26 – einer der größten Helikoptertypen – auf Faisabad herab. Mit ihm wird es nun möglich sein, die bisherige Transportkapazität von zwanzig Tonnen zu erhöhen und Nahrungsmittel rascher in die regionalen Subzentren zu bringen. Dort werden sie von Eselkarawanen in die Dörfer transportiert. Abgelegene Orte werden allerdings weiterhin von den kleineren MI-8-Maschinen versorgt.

Dazu gehört das Dorf Aq Mastan nahe der tadschikischen Grenze. Es liegt auf einem sanft geschwungenen Bergrücken, dessen Flanken auf beiden Seiten abrupt abfallen. Erst beim näheren Hinsehen erkennt man, daß das Erdbeben die Kanten des Rückens in die Tiefe gerissen hat. Die Wege und Markierungen der Felder laufen plötzlich ins Leere und zeigen, daß das idyllische Bergdorf von der Umwelt abgeschnitten ist. Die Nahrungsmittel, die der Helikopter unter den laufenden Rotoren ausspeit, sind daher buchstäblich ein Manna. Und sie sind um so willkommener, als auf den Äckern nicht nur der Weizen keimt, sondern auch weiße und lila Mohnblumen wachsen. Das zeigt, daß die Menschen hier kaum überleben könnten, wenn sie nicht den Opiumsaft ihrer Kapseln über die Grenze nach Tadschikistan verkauften. Sie dürften sich allerdings kaum bewußt sein, daß die Hilfsgüter, die auf sie herabregnen, aus ebenjenen Ländern kommen, in denen das Produkt der schönen Blumenfelder in Form von Heroin einmal landen wird. Bernard Imhasly