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Musik als Esperanto

Zum vierten Mal feiern Hobbyflöter und Profi-Pianisten in Berlin gemeinsam ihre Fête de la Musique  ■ Von Kirsten Niemann

Was haben der Sitarspieler aus Indien, die Harfenistin von der Hochschule der Künste und der Grunge-Rockgitarrist aus Kreuzberg gemeinsam? An den meisten Tagen im Jahr wohl eher gar nichts. Am Sonntag hingegen – dem längsten Tag des Jahres – locken die Berliner Veranstalter bereits zum vierten Mal die Musiker der Stadt aus ihren Übungskellern auf die Straße, um die Fête de la Musique zu feiern. Eine Party, die von Musikfans aller Couleur getragen werden soll: Ob Hobbyflöter oder Profi-Pianist – über 200 Bands, DJs, Chöre und andere Ensembles stürmen 21 Bühnen.

Mehr als 30 Cafés, Clubs und Kneipen, Kulturvereine und Galerien haben ihre Mitarbeit angeboten, teilweise sogar mit einem eigenen Programm. So unterschiedlich wie die vertretenen Musikstile sind auch die jeweiligen Biotope. So wird die sonst eher touristisch frequentierte Info-Box zum Forum für Jazz-, Funk- und Soulmusiker. Das Haus der Kulturen der Welt bietet gleich zwei Bühnen, mit Gästen aus Südamerika, Afrika und Weltmusik aus Paris. Der Discount – ein House-Club in der Gartenstraße – spielt Techno; das Golgatha im Kreuzberger Viktoriapark dagegen Gitarrenrock und Pop. Im Quartier 206 in der Friedrichstraße ist Unplugged angesagt: StudentInnen der HdK geben Klassisches von Mozart, Schubert, Bach und Hanns Eisler. Ab 13 Uhr fährt ein Truck als mobile Bühne durch die Stadt.

Was in Berlin vor vier Jahren noch zögerlich begann, hat in Frankreich bereits Tradition. Seitdem der damalige Kulturminister Jack Lang die Fête 1982 erfand, ist sie aus dem öffentlichen Leben unserer westlichen Nachbarn nicht mehr wegzudenken: Wer ein Instrument halten kann, kommt damit auf die Straße und spielt. Manche Formation findet sich erst für einen Gig an jenem Tag. Da wird Musik zur Sprache.

Mittlerweile haben sich 85 Städte auf der ganzen Welt dieser Idee angeschlossen. Selbst in Berlin hat sich das Open-air-Projekt als fester Bestandteil der Musiklandschaft etablieren können. Trotz aller Regengüsse der vergangenen Jahre. Die Fête de la Musique begreift sich obendrein als Austragungsort für Kulturaustausch: Acht Städte haben mittlerweile eine Partnerschaft gebildet und schicken ihre Musiker auf die Bühnen von Genua, Paris, Brüssel, Budapest, Neapel, Turin oder Barcelona. Daß 80 Prozent aller Auftritte dennoch von lokalen Musikern bestritten werden, hat hingegen pekuniäre Gründe: Lediglich 80.000 Mark läßt der Senat für das Kulturereignis springen – für die Veranstalter, die deshalb in diesem Jahr erstmals auf eigene Bühnen verzichten, nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nach anfänglichen Querelen haben sich selbst die langsam mahlenden Mühlen der Behörden dafür gesorgt, das Fest überbezirklich anzuerkennen. Spontane Straßenmusik ist jetzt zum ersten Mal offiziell genehmigt. Denn, so die Idee der Veranstalter, die schon mit dem Projekt der „Clubs United“ ihr Sendungsbewußtsein in Sachen Stilmix bewiesen: „Das Publikum soll sich nicht nur an einen bestimmten Ort X begeben, um einem Konzert zu folgen – es soll sich bewegen!“

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