Verstecken Sie Ihr Sparschwein rechtzeitig!

■ Neue gerichtliche Schuldenregulierung schreibt Beratungspflicht ab 1. Juli vor

Geld regiert die Welt, heißt es. Doch allzu viele Menschen dürfen die Welt nicht regieren. In Hamburg gibt es rund 50.000 Haushalte, die überschuldet sind. Viele von ihnen setzen große Hoffnung auf das neue Insolvenzrecht, um die drückende Last fälliger Rechnungen und Zinsen loszuwerden. Die neue gerichtliche Schuldenregulierung, die zum 1.1.1999 in Kraft tritt, wird jedoch erst dann möglich, wenn sich SchuldnerInnen zuvor an eine Beratungsstelle gewandt haben, um außergerichtlich mit ihren Gläubigern zu verhandeln.

Das Chaos in den sieben bezirklichen Schuldnerberatungsstellen und bei Hamburgs Verbraucherzentrale ist programmiert: Wenn nur ein Drittel der Personen, denen der Pleitegeier zum ständigen Begleiter geworden ist, von dem Angebot Gebrauch macht, sich von ihren Schulden zu verabschieden, „kommt es zum Crash“, sagt Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale, „das kann alles andere als heiter werden“. Zusätzliche Stellen seien dringend erforderlich.

Denn nach dem neuen Insolvenzrecht können SchuldnerInnen erstmals eine Befreiung von ihren Schulden erreichen, ganz gleich, in welcher Höhe. Allerdings erst nach einer fünf- bis siebenjährigen Durststrecke, während der sie alle Einkünfte über die Pfändungsgrenze an eine(n) TreuhänderIn abführen müssen. Auch der geheime Notgroschen kommt dann unter den Hammer, sofern das Sparschwein nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden ist.

Voraussetzung ist jedoch: Vor dem gerichtlichen Verfahren müssen die SchuldnerInnen versuchen, ab dem 1. Juli mit Hilfe einer Beratungsstelle eine außergerichtliche Einigung mit ihren Gläubigern zu erreichen. Das sieht auch das Landesausführungsgesetz zur Insolvenzordnung ausdrücklich vor, über das die Bürgerschaft am 2. Juli entscheiden soll.

Nachdem dieses Nadelöhr passiert und ein Kassensturz gemacht worden ist, wird es für die Verschuldeten noch härter: Unter der Pfändungsgrenze zu leben, bedeutet für Alleinstehende nämlich, monatlich mit 1219 Mark auszukommen. Davon müssen Miete und andere laufende Kosten bezahlt werden. Vielen SchuldnerInnen wird nichts anderes übrig bleiben, als Sozialhilfe zu beantragen und sich in das Heer jener einzureihen, deren Regelsatz in Hamburg zum 1. Juli um eine Mark von 539 auf 540 Mark erhöht wird.

Ob die außergerichtliche Schuldenregulierung für Säumige trotzdem eine Lösung sein könnte und den Gerichten eine Unmenge von Insolvenzverfahren erspart, soll deshalb ein von der EU gefördertes Forschungsprojekt unter Federführung der Hamburger Verbraucherzentrale eruieren. Untersucht wird die Praxis der Schuldnerberatung in Hamburg, London und Salzburg. Ziel ist es, eine gemeinsame europäische Richtlinie zu entwickeln.

Lisa Schönemann