Neue BSAG-Linien starten stockend

■ Volle Züge und Verspätungen: Fahrgäste sind sauer auf die Straßenbahn und das neue Liniennetz / BSAG räumt ein, Probleme unterschätzt zu haben / Sparauflagen, Sorgen mit Ampeln

Nachmittags, 16.30 Uhr. An der Wilhelm-Kaisen-Brücke braust die Straßenbahn „E – Arsten“ am dichten Autoverkehr vorbei. In dem Einsatzwagen auf der Linie 4 sind die Bänke besetzt. Stehen aber muß niemand – und an der Domsheide kriecht schon die reguläre Linie 4 aus der S-Kurve: Die findet kaum noch Fahrgäste in Richtung Kattenturm.

Überfüllte Bahnen, Wartezeiten von einer halben Stunde, Fahrzeiten, die sich verdoppelten?! Seit einem Monat ist das neue Streckennetz der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) Realität. Vor allem auf der neuen Linie vier von Bremen-Horn nach Arsten aber lautet der Kommentar der Fahrgäste fast unisono: Durchgefallen! Und auch die Politik stimmt mit ein: „Die BSAG“, so Bremens SPD-Fraktionschef Christian Weber, dürfe „das neue Netz nicht durch schlechte Koordination in Mißkredit bringen.“

Es sei eben Wahlkampf, sagt dazu Wolfgang Pietsch, der Sprecher der BSAG. Man habe die Lage, das zeige auch der Bahnverkehr auf der Linie 4, mit Einsatzfahrzeugen wieder in den Griff bekommen. Die Frauen auf ihren Sitzplätzen in einem dieser Einsatzwagen nach Arsten aber sehen das gar nicht so. „Einfach ätzend ist das!“ rufen sie und beugen sich von weit hinten über die Lehnen ihrer Nachbarinnen. „Am Arsch ist“, sagt auch Elke R. aus Kattenturm, „wer hinter Huckelriede wohnt.“ In Huckelriede nämlich endet die Linie 5 ; wer weiter draußen wohnt, ist auf die 4 angewiesen.

Schlechter dran, sagen die Frauen auf ihrem Weg nach Arsten, sind vor allem zweitverdienende und alleinverdienende Mütter: Die auf die reibungslose Routine jenes Nahverkehrsnetzes angewiesen sind, das sich über 35 Jahre lang auf immer die gleiche Weise ins Hirn des Stadtkollektivs einschrieb. Familienmütter ohne Zweitauto, die ihre (Schul-)Kinder jetzt allmorgendlich vor hoffnungslos verrammelten Straßenbahntüren wähnen.

„Mein Sohn“, sagt Marion S.., „hat doch noch gar kein Zeitgefühl.“ Marcel, der 12jährige, der täglich von Kattenturm nach Huckelriede zur Schule fährt, bestätigt das. Indirekt. Daß sich seine Bahn seit einem Monat oft um 15 Minuten verspätet, ist ihm noch nicht aufgefallen. Und daß die Taktzeit sich von 7,5 auf zehn Minuten verlängert hat, auch nicht. Marion S. hingegen schon. „Stehen Sie einfach eine halbe Stunde früher auf“, habe ihr der Bahnführer geraten.

Es sind nicht nur die „Reibungsverluste“ einer „tiefgreifenden Netzreform“ (BSAG-Text), die Frau S. weniger schlafen lassen. 11 Millionen Mark Einsparungen wurden der BSAG vom Senat verordnet – davon sollten 700.000 Mark hereinkommen, indem die Bahnen seltener fahren. Wegen der Bürgerproteste aber wurden jetzt verstärkt Servicekräfte eingesetzt, um die Gemüter zu beruhigen. Und zu Spitzenzeiten fährt die Straßenbahn auf der Linie 4 im Fünf-Minuten-Takt. Ob von den Einsparungen da noch was übrigbleibt? „Wir hoffen es“, sagt der BSAG-Sprecher vorsichtig. „Nicht alle in der SPD sind glücklich über Christian Webers Vorstoß“, ergänzt er dann, „die Politik sollte uns jetzt erstmal arbeiten lassen.“ Denn auch wenn auf Bremens Schienen und Straßen sich jeder als Fachmann fühle, säßen die wirklichen Fachleute doch bei der BSAG.

Die hatten jedoch die Probleme unterschätzt. Die Schwierigkeiten mit den Baustellen; vor allem aber mit den Ampeln. „Die neuen Ampeln von Siemens funktionieren nicht“, heißt es aus dem Aufsichtsrat der BSAG. Die Software, mit deren Hilfe sich die Straßenbahnfahrer freie Bahn verschaffen sollen, mache Probleme. Deshalb stünden die Bahnen oft „ewig“ an den Kreuzungen. „Hätten wir das gewußt, wären wir einen Monat später gestartet“, sagt Pietsch. Grund aber sei, so der Kommentar aus dem Aufsichtsrat, daß man der Firma Siemens beim Bausenator ein Monopol auf Bremens Ampeln gewähre: „Und zwar selbst dann, wenn andere Firmen mit preiswerteren Angeboten kommen.“ ritz