: Sieg für Tschechiens Sozialdemokraten
■ Partei von Milos Zeman wird bei vorgezogenen Parlamentswahlen stärkste Kraft. Bei der Regierungsbildung wird mit Problemen gerechnet
Prag (AFP/AP) – Die Sozialdemokratische Partei (ČSSD) hat die vorgezogen Parlamentswahlen in Tschechien gewonnen. Die bislang oppositionelle ČSSD von Milos Zeman wurde nach dem gestern veröffentlichten vorläufigen amtlichen Endergebnis mit 32,3 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Sie verfehlte aber mit 74 Mandaten die absolute Mehrheit im 200 Sitze zählenden Parlament. Die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) des früheren Ministerpräsidenten Václav Klaus lag mit 27,7 Prozent der Stimmen und 63 Mandaten auf Platz zwei. Drittstärkste Partei wurden die Kommunisten mit rund elf Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung erreichte nach Angaben der Wahlkommission mehr als 76 Prozent.
Angesichts der knappen Ergebnisse für die anderen Parteien dürfte es für Zeman schwierig werden, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Als möglicher Koalitionspartner der Sozialdemokraten gelten die Christdemokraten, die auf rund neun Prozent kamen, dicht gefolgt von der Freiheitsunion.
Zeman sagte in einer Fernsehdebatte am Samstag abend, der Siegerpartei gebühre das Vorrecht, als erste einen Versuch zur Regierungsbildung zu unternehmen. Doch das könnte schwierig werden. Gleichzeitig bekräftigte er, er sei weiter nicht zu einer Koalition mit den Kommunisten bereit. Bereits vor der Wahl hatte Zeman eine Koalition mit der ODS, der Freiheitsunion und den Kommunisten ausgeschlossen. Zemans Berater, Jaroslav Basta, machte aus seiner Enttäuschung kein Hehl. „Wir haben einen Sieg erlitten“, sagt er. Der außenpolitische Sprecher der Partei, Jan Kavan, sprach von einem „Pyrrhussieg“.
Václav Klaus betonte, die Linke habe die Wahl nicht gewonnen und bestritt, daß es in Tschechien zu einer Linkswende kommen werde. Zeman habe aber das Recht des Wahlsiegers, als erster Koalitionsverhandlungen zu führen. Danach sei aber er, Klaus, an der Reihe. Unterdessen hat der tschechische Staatspräsident Václav Havel alle Parteien mit Ausnahme der Kommunisten für heute zu Gesprächen über die Bildung einer neuen Regierung eingeladen. Dem gesundheitlich stark angeschlagenen Präsidenten kommt dabei nach Ansicht von Beobachtern eine Schlüsselrolle zu, da ihm die tschechische Verfassung zudem einen großen Spielraum bei der Nominierung des Ministerpräsidenten läßt. Kommentar Seite 12
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