■ Nachschlag
: Kein cool thing – Sean Lennon und Sonic Youth im Tempodrom

Es müssen die treuesten aller treuen Fans gewesen sein, die Sonic Youth nach deren langer Berlin-Abwesenheit am Montag abend im Tempodrom wieder ihre Aufwartung machten. Auf diesen Gedanken kam man zuerst, als immerhin niemand geringerer als Sean Lennon mit seiner Band für Sonic Youth den Support machte und sich das Zelt nur spärlich füllen wollte. Eigentlich schade, denn die Songs, die Lennon spielte, waren nett anzuhören, seine Stimme erinnerte zuweilen an die seines Vaters, und mit einigen Ausflügen in HipHop-, Hardcore-, und Daddelgefilde bestätigte er den Eindruck, den man schon beim Hören seines Debütalbums „Into The Sun“ bekam: Der Mann will sich nicht festlegen lassen. Vielleicht aber sucht er einfach noch nach einer musikalischen Heimat. Leider blieb dabei aber auch im Tempodrom das Percussion-Spiel von Cibo Mattos Yuka Honda, die Lennons Album produziert hat, auf der Strecke. Und leider konnte man sich auch Fragen wie diese nur stellen und nicht beantworten: Muß er ausgerechnet Musiker werden, als Sohn von John Lennon? Hilft ihm die väterliche Bürde oder behindert sie ihn?

Alles Spitzfindigkeiten, die beim anschließenden Gig von Sonic Youth schnell vergessen sind. Auch wenn ihr Auftritt eher unspektakulär verläuft. Mit einem langen Instrumental-Song spielen sich Sonic Youth ein, und danach lassen sie fast chronologisch die Songs ihres neuen Albums „A Thousand Leaves“ folgen. Sonic Youth geben sich nicht die Blöße, eine Art Best-of ihres zurückliegenden Schaffens zu geben, kein „Kool Thing“, kein „Youth Against Fascism“, kein „Teenage Riot“. In Ruhe, Bedächtigkeit und Ausdauer scheint die neue Sonic-Youth-Kraft zu liegen, ein bißchen melancholisch und fast ein wenig selbstverliebt wirkt das manchmal, vor allem aber sehr, sehr reif. Sonic Youth haben Gegenwart und Zukunft im Visier, und so sind es dann eigentlich auch nur die Zugaben zusammen mit dem typisch langen, krachig-instrumentalen Ende, die andeutungsweise vergangene Zeiten heraufbeschwören. Das Publikum aber war trotzdem relativ angetan und begeistert. Den Angriff der MTV-Jugend, die bei den letzten hiesigen Sonic-Youth-Auftritten die ersten Reihen kreischend beherrschte, haben Sonic Youth jedenfalls erfolgreich abgewehrt. Gerrit Bartels