Das Porträt
: Trommler für das Solarzeitalter

■ Hermann Scheer

Die Zeiten sind längst vorbei, als Hermann Scheer im eigenen Lager von Freund und Feind als zwar lästiger, aber einflußloser Sonnenfundi abgetan werden konnte. Freund, sprich die alte Tante SPD, empfand den heute 54jährigen als Zumutung, weil der sich mit der Atom- und Kohlefraktion seiner Partei gleichermaßen anlegte. Feind, sprich Umweltbewegte und Grüne, verziehen ihm nicht, daß er sich der SPD als ökologisches Feigenblatt zur Verfügung stellte.

Das ging so über Jahre, auch noch als der Stuttgarter SPD-Abgeordnete, vor zehn Jahren erster Präsident der europäischen Sonnenenergievereinigung Eurosolar wurde. In dieser Funktion beweist der wortgewaltige Trommler für das „Solarzeitalter“ (so der Titel einer von ihm herausgegebenen Fachzeitschrift) bis heute, daß erfolgreiche Lobbyarbeit nicht die Domäne mächtiger Industriekonzerne sein muß.

Daß eine Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energieträger heute nicht mehr als Phantasiegebilde abgedrifteter Öko- Spinner abgetan werden kann, daß selbst die SPD in ihrem Wahlprogramm an der „Brücke ins Solarzeitalter“ werkelt, ist nicht zuletzt Scheers wachsendem Einfluß geschuldet. Je mehr die Kraft der Sonne in den letzten Jahren als nicht nur theoretische Alternative zum aktuellen, zerstörerischen Energiesystem hoffähig wurde, um so mehr wuchs Scheers Reputation. Oder war es umgekehrt?

Man mag die Einflußlosigkeit eines Debattenzirkels wie das „SPD-Umweltforum“ beklagen: Daß Lafontaine Scheer 1996 zu dessen Vorsitzenden machte, bleibt ein Signal – vor allem an die Öko-Ignoranten im eigenen Laden, denen seit zwanzig Jahren außer der Parole „Kohle und Kernenergie“ nichts einfällt.

Scheer war immer Stratege, selten Taktiker. Zu seinen Glaubenssätzen gehört, daß ein neues Energiesystem niemals im Konsens mit den Energiekonzernen etabliert werden kann, sondern nur im zähen Kampf gegen sie. Das unterscheidet ihn von manchen nicht ganz unwichtigen Sozialdemokraten. Zum Beispiel von Gerhard Schröder.

Anfang Juli tagt in Wien die 2. Welt-Photovoltaik- Konferenz, die größte Leistungsschau, die es auf diesem Feld je gegeben hat. Loretta Schaeffer von der Weltbank wird die Laudatio auf den ersten Träger des Welt- Solar-Preises halten: Er heißt Hermann Scheer. Gerd Rosenkranz