„Stimmen spalten und Wähler beleidigen“

■ Volksentscheid: Initiative „Mehr Demokratie“ geißelt SPD und wirbt um CDU

Marcus Hiller ist, vornehm ausgedrückt, höchst verärgert. Der Sprecher der Initiative „Mehr Demokratie“ empfindet es als „Wählerbeleidigung“, daß sechs SPD-Abgeordnete der Gesetzesvorlage seiner Bürgerbewegung mit einem eigenen Vorschlag Konkurrenz machen wollen. „Das ist nichts als der Versuch, die Stimmen zu spalten.“

„Mehr Demokratie“ will durchsetzen, daß alle Hürden für die Volksgesetzgebung gesenkt werden, während die SPD Erleichterungen nur für die ersten beiden Schritte, nicht aber für die eigentliche Abstimmung, den Volksentscheid vorsieht. Hiller und seine KampfgefährtInnen appellierten gestern an die CDU-Opposition, „die Verfahrenstricks der SPD nicht mitzumachen“. Die Union will heute abend ihr Vorgehen festlegen, neigt aber inhaltlich eher den SPD-Positionen zu.

„Mehr Demokratie“ wies außerdem die Kritik der SPD als „Horrorszenarien“ zurück. Daß hürdenlose Volksentscheide sich gegen Minderheiten richten könnten, wie die SPD befürchtet, sei durch nichts zu belegen. „Aus den bisherigen Erfahrungen ist kein solches Beispiel bekannt.“ Auch seien Bayern oder die Schweiz durch niedrigschwellige Volksgesetzgebung keineswegs unregierbar geworden. Mehr als 60 Organisationen unterstützten nach wie vor das Anliegen, darunter Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Unternehmer und Mutter Beimer aus der Lindenstraße.

Der Kern des Streits hat einen kryptischen Namen: Zustimmungsquorum. Nach SPD-Willen müssen bei einem einfachen Gesetz 25 Prozent aller Wahlberechtigten zustimmen, also rund 300.000 HamburgerInnen. Im Durchschnitt nehmen aber nur 30 Prozent aller Wahlberechtigten an einer Volksabstimmung teil. Daß von diesen 30 Prozent dann mehr als fünf Sechstel mit „Ja“ stimmen, sei „realitätsfern“, so „Mehr Demokratie“. Die Initiative will, daß die einfache Mehrheit der abgegebenen Voten gilt – wie bei anderen Wahlen auch.

Hillers Prognose, daß die mit „Mehr Demokratie“ verbündete GAL gegenüber der SPD „nicht einknickt“, bewahrheitete sich am frühen Abend. „Auf informellem Wege“, so pressemitteilten die grüne Fraktionschefin Antje Möller und ihr roter Amtskollege Holger Christier, habe man sich geeinigt, den SPD-Antrag gemeinsam in den Verfassungsausschuß der Bürgerschaft zu überweisen. Dadurch würde Zeit gewonnen „für weitere Informationsgespräche und Diskussionen“.

Zudem seien zwei Veranstaltungen der Landesverbände von GAL und SPD geplant, um das nachzuholen, was bisher versäumt wurde: eine öffentliche Debatte.

Silke Mertins