Sopran unter dem Scheunendach

■ Auf dem Künstlerinnenhof „Die Höge“ findet das fünfte Symposion statt. Sieben Künstlerinnen entwickeln eine Oper, die am Freitag und Samstag aufgeführt wird

Eine merkwürdige Klangkulisse irritiert die auf der Höge versammelten JournalistInnen: Aus der Scheune erklingt ein heller Sopran, unterlegt vom rhythmischen Mahlen eines Betonmischers und dem nachmittäglichen Gedudel aus einem Radio. „Gehört das in dieser Form zusammen?“, fragt ein verstörter Kollege. Nein, nicht in dieser Form, versichert ihm die Kölner Video- und Klangkünstlerin Annebarbe Kau.Sie muß es wissen, denn Annebarbe Kau, Meisterschülerin von Nam June Paik, führt Regie beim diesjährigen interdisziplinären Symposion der Höge.

Und ihre Zielsetzung läßt besonders aufhorchen: Nach dreiwöchiger Zusammenarbeit will sie gemeinsam mit sechs Künstlerinnen aus dem In- und Ausland eine moderne Oper präsentieren, eine „grange opéra“, eine Scheunenoper. „sieben, seven, sept“ wird am 26. sowie am 27. Juni auf der Höge zu erleben sein.

Es ist das fünfte Symposion auf dem 1995 gegründeten Künstlerinnenhof. Zwei waren den bildenden Künsten gewidmet, zwei der Performance-Art. Eine Oper zu gestalten, stellt allerdings für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar, zumal derzeit die idyllische Kulisse der Höge durch umfangreiche Bauarbeiten aufgerissen wird. Bis zum Herbst sollen aus den ehemaligen Stallungen Ateliers und Studios für die ersten Stipendiatinnen des Künstlerinnenhofes enstehen.

Ausgehend von diesem Ort der Wandlungen entwickelte Annebarbe Kau Idee und Konzept: Freilich keine Oper im herkömmlichen Sinne, sondern ein Stück, das im Wechselspiel steht zwischen traditionellen Formen und einer neuen offenen Komposition, die sich zwischen den Gattungen der bildenden Kunst und der Musik bewegt. Gemeinsames Thema werden „die Aspekte des Verhältnisses von Körper, Raum und Zeit“ sein. Ein Thema, das nicht erst seit dem ICE-Unglück in Eschede von hoher politischer Brisanz ist und vielfältige Fragen der gegenseitigen Beeinflussung von Mensch und Technik aufwirft. Das Projekt „sieben seven sept“ ist ein Versuch, sich diesen Fragen- „wir geben keine Lösungen“-, mit künstlerischen Mitteln anzunähern.

Annebarbe Kau, die in ihren bisherigen Arbeiten vorrangig den Möglichkeiten der Verbindung von Bild und Ton nachgegangen ist, hat für die geplante Oper international renommierte Künstlerinnen aus dem visuellen und akustischen Bereich eingeladen. Die amerikanische Sopranistin Beth Griffith, bekannt aus der Zusammenarbeit mit Komponisten wie John Cage, Morton Feldman, Karlheinz Stockhausen und Mauricio Kagel, wird gemeinsam mit der Mezzosopranistin Marianne Schuppe eine von Annebarbe Kau erstellte Videopartitur vertonen. Die britische Komponistin und Bandoneonspielerin Caroline Wilkins, ebenfalls eine Vertreterin der Neuen Musik, bereitet eine musikalische Performance hoch über den Köpfen des Publikums vor, das in der Mitte der Scheune, im Zentrum des Geschehens sitzen wird.

Boden und Wände des Raumes werden zur Zeit von der Installa-tionskünstlerin Heike Weber bearbeitet, unterstützt von Anke Schulte-Steinberg, die mit ihren kinetischen „Schattenmaschinen“ bewegte Lichtflächen erzeugt. Das vom Boden bis zur Decke reichende Musikinstrument, dessen schwebende Metallschwingen auf wundersame Art Auge und Ohr überraschen, stammt von der französischen Percussionistin Claudine Denis. Sie kann, wie fast alle anderen Teilnehmerinnen, auf vielerlei Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Künstlerinnen zurückgreifen, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen.

Dennoch ist es schwierig, räumt Annebarbe Kau ein, die auf der Höge individuell entwickelten Ideen zu einem Werk zusammenzufügen. „Wir wollen keinen Abend der kleinen Stücke“, erklärt die Regisseurin mit einer Bestimmtheit, die jeden Zweifel am Gelingen des Gesamtkunstwerkes ausräumt, das am Freitag und Samstag um jeweils 19.30 Uhr zu sehen und zu hören ist.

Dora Hartmann

Der Künstlerinnenhof „Die Höge hat die Anschrift Högenhausen 2 und liegt zwischen Bassum und Syke. Weitere Infos zu den Aufführungen am Wochenende gibt es unter der Nummer 04249/1377