■ Betrügerin ver- und entfluchte Frauen für bis zu 70.000 Mark Gebühr
: Nur mal zwei Stunden beten gegangen

Kempten/Ludwigsburg (taz) – Eine 1-Meter-46 kleine Wahrsagerin hat sich als große Abzockerin betätigt und wurde jetzt von der Polizei in Ludwigsburg verhaftet. Das „Medium“ hatte vor allem bei jungen Frauen abkassiert, die sie mit Tricks und vermeintlichen Fähigkeiten in ihren Bann zog. In Einzelfällen kassierte die Frau mit der Glaskugel bis zu 70.000 Mark Beratungsgebühren.

Die Fälle gleichen sich: Einer jungen Dame aus Kempten hatte die Wahrsagerin in der Fußgängerzone einen angeblich auf ihr lastenden Fluch eingeredet, gleichzeitig aber gegen saftige Gebühren wahrsagerische Abhilfe mittels ihrer magischen Kugel und anderer Hellseher-Utensilien versprochen. 12.000 Mark waren fällig. Die nächste Frau berappte für die Fluchbeseitigung nur 1.050 Mark. Ein weiteres Opfer – eine 34jährige aus dem Raum Ludwigsburg – zahlte sogar 70.000 Mark.

Die Betrügerin, eine 22jährige gebürtige Wienerin, gab sich als 28jährige Griechin namens Maria aus, eröffnete ihrem Opfer zunächst die Sache mit dem Fluch und lud sie zum Kaffee ein. Sie las der völlig verstörten Frau aus der Hand und ließ sie schließlich fünf Knoten in einen Faden machen. Das Lösen dieser Knoten, und damit die Erlösung vom bösen Fluch, kostete zunächst 4.500 Mark. 500 Mark Aufpreis wurden für den Blick in die Glaskugel eingefordert, weil schließlich damit der Fluch konkretisiert werden konnte. Freilich mußte die Fluchexpertin daraufhin bedauerlicherweise ihrem Opfer eröffnen, daß der Fluch doch noch nicht ganz gewichen war. Weitere Treffen zwecks kostspieliger Fluchbeseitigung wurden vereinbart. Ein Ei mußte in eine Bluse der Fluchbelasteten eingewickelt werden. Durch einen Trick verwandelte die „Hellseherin“ das Eigelb in eine schwarze Masse – den sichtbar gewordenen Fluch.

Jetzt wurde es, so der Ludwigsburger Polizeisprecher Rainer Daffner, richtig teuer. 100.000 Mark sollte die 34jährige Frau mit dem bösen Fluch für dessen Beseitigung auftreiben. Mit 70.000 Mark, aufgenommen bei mehreren Sparkassenfilialen, kam sie schließlich wieder zur Hellseherin, die mit dem Geld nur zwei Stunden beten und es dann zurückbringen wollte – was sie allerdings vergaß. Die 34jährige hat der ganze Vorgang dermaßen mitgenommen, daß sie sich zwischenzeitlich in psychiatrische Behandlung begeben mußte. Ein weiterer Fall wurde schließlich der in Österreich einschlägig vorbestraften Frau zum Verhängnis. Eine 24jährige aus dem Raum Ludwigsburg sollte ähnlich „abgekocht“ werden wie die zehn Jahre ältere Frau. Auch sie nahm einen Kredit auf. Doch das neue Opfer vertraute sich einer Freundin an, und diese schaltete die Polizei ein. Bei der fingierten Geldübergabe klickten dann die Handschellen. Pikantes Detail am Rande der Festnahmeaktion: Passanten glaubten zunächst, die Hellseherin solle entführt werden.

Gegen die Glaskugelfrau lag bereits zum Zeitpunkt ihrer Festnahme ein Haftbefehl des Amtsgerichts Memmingen vor. Wie viele teure Flüche die Frau insgesamt beseitigt hat, steht derzeit noch nicht fest. Die Polizei glaubt allerdings, daß es noch eine ganze Reihe weiterer Opfer gibt, und fordert diese auf, sich umgehend bei den Beamten in Ludwigsburg oder Kempten zu melden. Klaus Wittmann